Oh Schreck, die Emaille ist weg

Kleine Platzer an der Emaille sind eher optische als funktionale Mängel. Die beiden Stellen hier im Bild sind durch mehrmaliges Herabfallen des Deckels entstanden. Allerdings auch schon vor mehreren Jahren. Und obwohl der Grill oft draußen steht, hat er hier nur sehr wenig gelitten

 

Meist fällt es irgendwann beim Reinigen auf: Am Kugelgrill ist Emaille abgeplatzt. Wie konnte das passieren? Schließlich hat man sich doch extra ein Premium-Modell gekauft. Und nun das… Text von Markus Mizgalski

Was ist Emaille?
Emaille ist Schmelzglasur, die zwei Zwecke erfüllen kann. Sie dient einerseits als Schutzschicht für Metalle, kann aber anderseits dekorativen Charakter haben. Diese Schicht setzt sich zusammen aus Komponenten, die Glas bilden und solchen, die die Haftung auf dem Trägermetall bewirken. Je nach Zusammensetzung kann Emaille unterschiedliche Farben und Eigenschaften haben. Das Aufbringen geschieht durch Hitze. Die in der Emaille enthaltenen Silikate werden dabei zu einem extrem harten Glas, das im Prinzip dann die meist sehr robuste Beschichtung bildet. Was aber zerstört diese Beschichtung? Die Antwort ist ziemlich einfach: Das, was jedes andere Glas zerstören kann– Hitze oder mechanische Gewalt. Hitze liegt nahe; denn da die Glasur aufgeschmolzen wird, kann sie auch wieder verflüssigt werden. Mit mechanischer Gewalt hat man es zu tun, wenn etwa ein harter Gegenstand auf die Oberfläche oder die Emaille selbst auf einen harten Untergrund fällt. In der Regel platz die Emaille aber nur dann ab, wenn die Belastung sehr hoch und sehr punktuell ist. Natürlich kann die Emaille selbst fehlerhaft sein, ungleichmäßig dick etwa oder nicht komplett deckend. Letzteres fällt aber meist spätestens beim Zusammenbau eines Grills auf und wird von den meisten Herstellern anstandslos korrigiert. Dennoch ist abgeplatzte Emaille zunächst einmal kein Drama. Es gibt ein gewisses Risiko, dass über diese Macke Wasser zwischen Metall und die Deckschicht läuft und sich Rost bildet. Aber wer 200 Euro oder mehr in einen Grill investiert hat, mag es womöglich trotzdem nicht, wenn so etwas passiert. Vor allem dann nicht, wenn der Platzer im normalen Betrieb entstanden ist.

Grillen bei 300 °C?
Das führt unweigerlich zu der Frage, was denn normaler Betrieb ist. Zur Beantwortung dieser Frage lohnt tatsächlich ein Blick in die Bedienungsanleitung. Mitunter stehen hier ein paar Dinge, die man als Nutzer eher vermeiden sollte. So können Hersteller bei Gasgrills mit Heckbrenner zum Beispiel empfehlen, dass nie alle Brenner plus Heckbrenner gleichzeitig mit voller Last laufen dürfen. Oder auch, dass beim Betrieb des Heckbrenners der Warmhalterost zu entnehmen ist. Das ist nachvollziehbar und hat gute Gründe. Was aber, wenn solche „Sicherheitshinweise“ dazu führen, dass man sich fragt, wie dann überhaupt der Betrieb eines Grills erfolgen soll?. Tatsächlich fand und findet sich noch in manchen Anleitungen für Holzkohlegrills der Hinweise, den Grill nicht mit Temperaturen über 300 °C zu betreiben. Und genau aufgrund dieses Hinweises haben in der Vergangenheit schon Hersteller den Garantie-Ersatz von Emaille-Teilen abgelehnt. Nun stellen wir uns allerdings die Frage, wie das denn funktionieren soll. Selbstverständlich ist es kein Problem, die am Deckelthermometer gemessene Umluft-Temperatur unter 300 °C zu halten. Aber auf dem Kohlerost gilt das nicht. Schiebt man etwa glühende Briketts an dem Rand, um indirekt zu grillen, so herrschen dort in jedem Fall deutlich höhere Temperaturen. Wir messen etwa bei handelsüblichen Briketts an der Glut gute 450 °C und mehr. Bei unserem Kugelgrill kommen beim Setup für indirektes Grillen an der Außenseite des Blechs immerhin noch gute 260 °C an. Wohlgemerkt haben wir den Grill dabei weder in eine Schmiede-Esse verwandelt noch als Steak-Maschine befeuert. In diesem Szenario, was ja ebenfalls typisch für eine normale Nutzung ist, kommen wir auf Temperaturen von über 650 °C an der Glut. Am Blech und damit an der Emaille messen wir immer noch fast 500 °C im Bereich der anliegenden Kohlen.

Unsere Messungen zeigen, dass Temperaturen von 300° C im Holzkohlegrill ziemlich unrealistisch sind. Briketts glühen mit über 450°C und heizen das Metall entsprechend auf

Bei Holzkohle steigt die Temperatur dann auf deutlich über 650°C: Für das Grillen von Steaks aber kein ungewöhnliches Setup

Was sagen die Hersteller?
Wir haben diese 300 °C-Angabe in älteren Bedienungsanleitungen von Rösle gefunden, aber auch bei Outdoorchef. Rösle hat inzwischen diesen Passus aus den Anleitungen genommen; in den aktuellen Versionen findet er sich nicht mehr. Offenbar ist man dort inzwischen der Meinung, dass diese Angabe sich mit der normalen Anwendung eines Grills kaum vereinbaren lässt. Bei Outdoorchef hingegen liest man in der herunterladbaren Anleitung (Charcoal Manual) für die Chelsea- und Kensington-Grills immer noch die Formulierung: „Beobachten Sie stets die Hitzeentwicklung in Ihrem Grill, bevor Sie weitere Kohle nachgeben. Eine vorsichtige Dosierung ist notwendig, damit der Temperaturanstieg unter Kontrolle gehalten werden kann. Um das Grillgut und den Grill zu schützen, sollten nicht höhere Temperaturen als 300 °C (626 °F) erreicht werden. Zu hohe Temperaturen können Grillteile verformen.“ Kurioserweise fehlt ein entsprechender Hinweis bei den Gasgrills. Im Gegenteil: Hier wirbt Outdoorchef auf der Webseite beim Montreux sogar damit, dass er in zehn Minuten von Null auf 300 °C aufgeheizt sei. Vom Hersteller selber war leider trotz mehrfacher Anfrage keine Aussage zu bekommen. Man darf aber durchaus davon ausgehen, dass ähnlich wie Rösle auch die Schweizer ihrer Emaille mehr Hitze zutrauen als eben jene 300 °C. Schließlich wissen wir aus Tests in der Vergangenheit, dass bei den großen Gaskugelgrills bei entsprechendem Setup Temperaturen von etwa 500 °C möglich sind. Und das ist seitens des Herstellers durchaus gewollt.

Und das bedeutet am Blech und der Emaille (roter Punkt) immer noch fast 500 °C. In der Regel stellt das aber für die Beschichtung auch kein Problem dar

Fazit: Platzt bei einem Grill im normalen Betrieb tatsächlich Emaille ab, liegt wahrscheinlich eine Unsauberkeit in der Beschichtung vor. Wie weit man versucht, hier Garantieansprüche geltend zu machen, hängt sicher von der Größe des Schadens ab. Denn in der Regel bedeutet etwa eine Macke am Deckel oder an der Unterschale eines Kugelgrills, dass man zwar das betreffende Teil ersetzt bekommt, nicht aber die Anbauteile. Man muss also den Grill entsprechend zerlegen. Viel Arbeit, wenn der Schaden eventuell nur halb so groß ist wie eine 1-Cent-Münze. Wird er allerdings mit der Zeit größer, sollte man handeln und zumindest versuchen, Ersatz zu bekommen. Trotzdem ist das am Ende kein Freibrief für Pyromanen. Wer meint, er müsse seine 57er-Kugel komplett durchglühen, in dem er zehn Kilogramm Restaurantholzkohle auf einen Schlag darin verfeuert, der darf sich nicht wundern, wenn der Grill das nicht überlebt. Denn was viele vergessen: Bläst man genug Luft respektive Sauerstoff in Holzkohle, erreicht man Temperaturen, bei denen nicht nur die Beschichtung wieder schmilzt, sondern sich sogar der darunter liegende Stahl verformt bzw. verformen lässt. Es kommt schließlich nicht von ungefähr, dass man mit Holzkohle auch schmieden kann.