Rohschinkenherstellung – Eine Herausforderung für den Hobbymetzger
Warum wird rohes Fleisch durch die Behandlung (Pökeln, Räuchern und Reifung) sogar ungekühlt haltbar, und kann man mit einfachen Mitteln solche Produkte überhaupt zu Hause herstellen? Die Antwort: Ja – wenn Sie wichtige Punkte beachten, sollte es kein unlösbares Problem sein, in einem Smoker, Räucherofen oder Grill Ihre hauseigenen Rohschinken herzustellen.
Geschichtliches
Rohschinken gehört zu den ältesten überlieferten Fleischerzeugnissen überhaupt. Er kann urkundlich auf eine mehr als 2.000-jährige Geschichte verweisen, und dabei ist die Menschheit noch nicht ausgestorben. Wie beim letzten Artikel (N°3/19) „Rohwurstherstellung“ beschrieben, wurde das Fleisch damals hauptsächlich im Winter gesalzen und damit lagerfähig gemacht. Das Ziel war schließlich, sich möglichst lange von einem geschlachteten oder erlegten Tier ernähren zu können.
Beschreibung von Rohschinken
Der Rohschinken besteht aus unzerkleinertem, rohem Fleisch, das durch den Zusatz von Salz konserviert wird und im Verlauf einer anschließenden Reifung ein ansprechendes Aroma entwickeln soll. Fertigprodukte werden meist ungekühlt gelagert und ohne Erhitzung verzehrt. Durch den Entfall der Erhitzung fehlt uns also (wie bei der Rohwurst) eine entscheidende Hürde in puncto „Lebensmittel-Sicherheit“.
Gegenwart
Rohschinken, als Untergruppe der Rohpökelwaren, wird in vielen Variationen hergestellt. So wird er mit oder ohne Knochen, trocken- oder nassgepökelt, leicht- oder stark geräuchert und sogar schimmelgereift angeboten. Doch hier beginnt bereits die Schwierigkeit in der Herstellung. Ein Knochenschinken erfordert wesentlich mehr an Können, Rohmaterialauswahl, vorhandenen steuerbaren Reiferäumen und Reifezeit, als ein aus einem, oder wenigen Muskelpartien – zusammengesetztes Produkt (wie Schinkenspeck, Lachsschinken usw.). Auch Bacon ist eine Rohpökelware. Da Bacon aber nicht „gereift“ und nicht ausreichend abgetrocknet ist, wird dieser nur gekühlt angeboten und anschließend vom Konsumenten gebraten, gegrillt und oft zusammen mit Eggs und Beans serviert. Hier wünscht man sich ausdrücklich keine oder nur eine geringe Fermentation. Denn in Verbindung mit der Erhitzung, wie beim Grillen, Braten usw. würden sich krebserregenden Nitrosamine bilden. Das ist auch der Grund, warum man gereifte Rohschinken wie Parma oder Serano etc. auf keinen Fall grillen oder braten sollte. Diese Produkte sind dem Rohverzehr vorbehalten, und seien wir ehrlich: So schmecken sie doch am besten. Nur die Angst vor Bakterien führte dazu, dass widersinnigerweise fermentierte Rohschinken durchgebraten wurden, mit einem fatalen Ergebnis.
Rohschinkenherstellung für den Hausgebrauch
Wohlwissend, dass der Hobbymetzger zu Hause meist nicht über die erforderliche technische Ausrüstung verfügt, möchte ich im Folgenden kurz darstellen, welche Punkte unbedingt beachtet werden müssen. Hierzu soll uns beispielhaft eine kantig geschnittene und geräucherte Schinkenspeckhüfte vom Schwein dienen, welche leicht beim Metzger zu besorgen ist. Sowohl wegen der einfacheren Herstellungstechnologie und den geringeren technischen Anforderungen als auch vom Einstandspreis her ist das ein interessantes Fleischstück, um die ersten Erfahrungen zu sammeln. Ich würde mich erst dann an einen viel komplizierteren „Wildschinken“ wagen, wenn alle Erfahrungen im häuslichen Umfeld bereits gemacht wurden und man sich in dem, was man tut, sicher ist.
1) Rohmaterial Fleisch
Das Fleisch muss nach der Schlachtung schnell und sehr gut ab- und durchgekühlt werden (am besten auf + 2 °C). Sowohl beim geschlachteten Tier als auch beim erlegten Wild darf es zu keinen Verunreinigungen mit Keimen des Magen-Darm-Traktes gekommen sein. Derartiges Fleisch bietet nicht die erforderliche Sicherheit für den weiteren Prozess der Herstellung und des Rohverzehrs. Nur: Wie prüft man das? Am besten Sie wissen, wo Ihr Rohmaterial „Fleisch“ herkommt und holen es bei dem Metzger, Jäger oder Fachhandel Ihres Vertrauens. Sagen Sie bereits bei der Bestellung, dass Sie davon Rohschinken machen möchten und einwandfreies Fleisch benötigen. Die offizielle Schlachtung unterliegt einer amtlichen Fleischbeschau, erfahrene Jäger wissen die Gesundheit des erlegten Wildes ebenfalls zu beurteilen. Den richtigen pH-Wert werden die meisten im privaten Umfeld kaum gesichert feststellen können, deshalb nur zur Vollständigkeit: Dieser sollte unter 5,8 liegen, bei Wild es das aber zum Teil schwierig einzuhalten.
2) Pökeln
Man unterscheidet zwischen Nass- und Trockenpökelung. Ich bevorzuge letzteres Verfahren, da es besser steuerbar ist, ein besseres Aroma liefert und es keine Lake gibt, die „umkippen“, also schlecht werden kann. Dabei wird das Fleischstück mit einer Mischung aus Pökelsalz (NPS), Zucker und Gewürzen (Wacholder, Knoblauch, Lorbeer etc.) eingerieben. Einfacher, sauberer und genau dosiert werden kann das, indem man das Fleisch abwiegt und die erforderliche Menge nach Rezeptur (siehe nächste Seite) mit dem Fleisch zusammen vakuumverpackt. Dabei kann man genau die Rezeptur einhalten, und der Schinken hat nicht zu viel oder zu wenig Salz, man kann auf „wässern“ verzichten und die Entfernung des Sauerstoffes verbessert zusätzlich die Pökelfarbe und verzögert, dass das Fett ranzig wird. Also insgesamt eine saubere Sache (auch im Kühlschrank). Vakuumgeräte für den Hausgebrauch gibt es heute in einer Bauart, welche für jeden Geldbeutel erschwinglich ist. Zudem kann man diese Geräte vielschichtig nutzen. Gepökelt wird mindestens 14 Tage lang bei einer Temperatur unter 5 °C.
3) Salzausgleich, Reifung, Aromatisierung (genannt „Brennen“)
Der wichtige Prozess des Salzausgleiches sollte für mind. 2-3 Tage in einem kühlen, trockenen, dunklen, insektenfreien und sauberen Raum (5-7 °C) stattfinden. Das kann ggf. auch ein Kühlschrank sein. Nur muss der trocken und nicht mit mit anderen Produkten gefüllt sein (wie z.B. Gemüse, Getränkeflaschen usw.). Dazu wird das Fleisch einfach aus dem Vakuumbeutel geholt und nicht abgewaschen oder abgetupft, sondern einfach mit der Schwartenseite nach unten auf ein Kunststoffgitter und -gefäß gelegt. Die im Beutel befindliche Lake wird weggegossen. Ziel ist, dass das Produkt abtrocknet, also die entstehende Lake ablaufen kann und so das Räuchergut trocken zum Räucherprozess gelangt. Damit dient dieser Prozess der mikrobiellen Stabilisierung und trägt zur wichtigen Aromabildung bei.
4) Räuchern/Kalträuchern
Nach dem Aufhängen der Fleischstücke mit Schinkennadel und stabilem Wurstgarn sollte der Rohschinken im leichten Luftstrom zusätzlich ein paar Stunden vortrocknen. Die Außenschicht muss komplett trocken sein, da sonst der Rauch nicht aufgenommen wird und sich geschmacklich Abweichungen ergeben. Der Räucherprozess muss bei Temperaturen von max. 20-24 °C stattfinden und sollte für die Hüften ca. 2-4 Tage dauern. Wobei der Räucherrauch für einen feineren Geschmack auch mal ausgehen darf. Auf eine Räucherzeit von 8-12 Stunden. kann ruhig die gleiche Zeit an Pause folgen. Wichtig ist nur, dass Ihr Smoker, Räucherofen oder Grill ein Metallschutzgitter besitzt, welches in den rauchfreien Zeiten das Eindringen von Fliegen, Insekten usw. verhindert und es darin nicht zu warm wird. Höhere Temperaturen lassen das Fett schmalzig werden.
5) Nachtrocknen, Reifen, Lagern
In dieser Phase soll der Rohschinken nochmals Wasser verlieren, fester (also schnittfester) und haltbarer werden. Außerdem bildet sich hierbei noch sehr viel Aroma. Aber Vorsicht: Entscheidend sind Luftfeuchte, Temperatur, Luftbewegung und das Umfeld wie Licht, Hygiene, schimmelfreie Räume etc.. Schnell kann man im letzten Teil der Herstellung viel Gutes wieder kaputt machen. Ist z.B. die Luftfeuchte zu niedrig, so bildet sich ein „Trockenrand“, der dann den weiteren Wasserverlust des Produktes und somit die erforderliche Trocknung behindert (der Schinken macht außen zu und lässt das Wasser nicht raus). Ist die Feuchtigkeit im Raum zu hoch (oft in Erdkellern der Fall), so kann sich unerwünschter, ja sogar giftiger Schimmelbelag bilden und Sicherheit wie Aroma des Produktes massiv negativ beeinflussen. Wenn Sie merken, dass der Rand zu schnell und zu stark abtrocknet, packen Sie die Produkte in Folie. Sie müssen die Produkte hierbei nicht vakuumieren, einschlagen genügt. In der Folge kommt es nach ein paar Tagen zum Ausgleich, d.h. Feuchte vom Produktkern diffundiert nach außen und weicht sozusagen den Rand des Schinkens wieder auf. Das gelingt aber nur, wenn Sie das rechtzeitig feststellen. Im Anschluss wird der Prozess bei etwas höherer Feuchte wieder fortgesetzt (Behälter mit etwas Wasser und sauberen Tüchern am Boden unter den hängenden Rohschinken können helfen). Die relative Luftfeuchte in dem dunklen Raum sollte im Bereich um die 75-80 %, die Temperatur bei 5-12 °C und alles bei mäßiger Luftbewegung liegen.
Gewichtsverlust
Die Fleischstücke sollten ausgehend vom fertigen Rohfleischgewicht der Rohschinken (Rohlinge) ca. 30-35% verlieren. Somit werden sie ausreichend schnittfest, haltbar und damit sicher. Um negative Einflüsse von Aufbewahrungsräumen an den Produktoberflächen zu vermeiden, kann man die Schinken einzeln vakuumieren. In der Packung findet ein Ausgleich zwischen Feuchtegehalt zwischen Kern und Rand des Produktes statt und es wird zarter und mürber.
TIPP:
Bitte notieren Sie das Einzelgewicht jedes Schinkens, so dass Sie den Gewichtsverlust jederzeit feststellen können. Auch Daten wie Beginn und Dauer des Pökelns, Brennens, Räucherns und Nachreifens sollte man genau notieren. So kann man zu einem späteren Zeitpunkt jederzeit nachvollziehen, was wann gemacht wurde und bei Abweichungen die gemachten Erfahrungen einfließen lassen (bitte Aufzeichnung aufbewahren). Produziert man mehr Schinken, so sollten diese zur Unterscheidung farblich gekennzeichnet werden (hierzu bieten sich verschiedenfarbige Garne an). Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen. Ran an den „Speck“!
>> Rezepturvorschlag pro Kilogramm geräucherte Schinkenspeckhüfte vom Schwein (kantig geschnitten)
• 35 g Nitritpökelsalz* pro kg frisches Fleisch (Hüften) nach dem Zuschnitt
• 3 g Zucker (Rohr- oder Haushaltszucker)
• 0,5 g Ascorbat (Umrötehilfsmittel, Farbstabilisator, Salz des Vitamins C)
• 2 g Pfeffer
• 1,5 g Wacholderbeeren, gestoßen
• 1 g Knoblauchpaste oder -pulver
• 1 g getrockneter Koriander (wenn gewünscht)
• 1 Lorbeerblatt, gerebelt
Fleisch abwiegen. Alle Zutaten zusammenmischen und auf das Fleisch im Beutel verteilen, anschließend vakuumieren.
* Der Grund des Einsatzes von Nitritpökelsalz (NPS) wurde im Heft N°3/19 zum Thema Rohwurstherstellung besprochen und gilt inhaltlich gleichermaßen für die Rohschinkenproduktion. Nur bei vollständiger Beherrschung aller wichtigen Schritte und des gesamten Produktumfeldes kann man auf Kochsalz und Salpeter umsteigen (z.B. bei Knochenschinken mit sehr langer Reifedauer usw.). Mischungen von 50% Kochsalz mit 50% Nitritpökelsalz schaffen bei den heute gewünschten, reduzierten Salzgehalten keine ausreichende Sicherheit. Im häuslichen Umfeld ist davon abzuraten.
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