Die Landschaftspfleger aus Südostasien
Im brandenburgischen Zossen weiden 300 Zebu-Buckelrinder. Fleischsommelier Nils-Peter Czaja tut alles, damit seine Lieblinge richtig lecker werden.
Zebus sind Zwerge unter den Rindern. Drahtig und agil sind die Exoten aus Südostasien nicht gerade dafür bekannt, gutes Fleisch anzusetzen. In Zossen südlich von Berlin züchtet ein Fleischsommelier 300 dieser Buckelrinder auf einem ehemaligen sowjetischen Truppenübungsplatz. Und hat ein Rezept gefunden, wie aus mageren Arbeitstieren Fleischlieferanten werden, deren Steaks Gourmets und Köche gleichermaßen begeistern. Schinken aus dem Buckel der Tiere geht für 650 Euro das Kilo über den Ladentisch. Chefkoch Holger Joost aus dem Berliner Grand Hyatt hält den Zebu-Schinken aus Zossen gar für eines der fünf besten Schinkenprodukte der Welt.
Für den Zossener Nils-Peter Czaja sind seine Zebus Passion und Leidenschaft
Auf dem Galgenberg weht Tag und Nacht ein steifer Wind – weshalb sich auf der Anhöhe mehrere Windräder drehen. Das Silbergras ist knochentrocken und knirscht, wenn man darüber läuft. Flechte, Moose, Kräuter und einzelne Büsche und Kiefern sind die einzige Nahrungsquelle, die hier oben gedeiht. Ein Paradies für Insekten und Vögel, nicht so sehr für Rinder. Trotzdem zieht eine Herde von kleinen gedrungenen Kühen über die Heide, im Schlepptau Kälber und einen kräftigen Bullen. Das männliche Tier hat einen mächtigen Buckel auf dem Rücken – einen Muskelhöcker zum Imponieren, der den Buckelrindern ihren Namen gibt.
“Kein anderes Rind könnte hier oben gedeihen“, sagt Züchter Nils-Peter Czaja und tätschelt einer seiner Kühe den Rücken. „Zebus haben einen wesentlich längeren Darm als andere Rassen und können deshalb das trockene Gras verdauen“, erklärt er. Das Verhalten der Tiere ist ungewöhnlich. Fast wie Haustiere scharen sich die Kühe um ihren Bauern, reiben sich an seinen Beinen und scheinen den Kontakt zu genießen. Czaja spricht freundlich auf die Tiere ein und verteilt Streicheleinheiten. Das Verhältnis zwischen Züchter und Tieren ist Programm – „emotionale Tiergesundheit“ ist das Geheimrezept, mit dem Czaja das bestmögliche Fleisch heranwachsen lassen möchte. Er ist davon überzeugt: Nur glückliche, stressfreie Tiere geben gutes Fleisch.
„Bei einer emotional so empfindlichen Rasse wie Zebus ist es besonders wichtig, dass man auf ihre Bedürfnisse Rücksicht nimmt“, sagt Czaja. Für ihn bedeutet das beispielsweise, dass Mutter und Kalb nicht getrennt werden, sondern in Familienverbänden zusammen bleiben. Sogar auf „Tierfreundschaften“ nimmt der Züchter Rücksicht. „Wenn zwei Tiere gut miteinander auskommen, sollte man sie nicht trennen“, findet er. Dagegen werden Streithähne rigoros aussortiert – und landen ohne Umwege beim Metzger. Auch beim Schlachten nimmt er auf die Befindlichkeiten seiner Rinder Rücksicht – einen Schlachthof bekommen sie nicht zu sehen. Stattdessen erlegt ein Jäger die Tiere auf der Weide, sie sterben quasi mit einem Büschel Gras in der Schnauze.
Alle Bemühungen des Fleischsommeliers, wird vom Anspruch auf die optimale Qualität geprägt. „Ich sehe meine Tiere eher mit dem Blick des Metzgers als dem des Bauern“, sagt er. Was bedeutet, fleischige Schenkel, ein langer Rücken und genügend Fett sind für ihn die wichtigsten Kriterien. Rassenreinheit interessiert ihn dagegen weniger. „Wir sind kein Streichelzoo, sondern produzieren Fleisch“, so Czaja. Weshalb er versucht, züchterisch die Tiere weiter zu verbessern. Die Herde auf dem Galgenberg ist eine Eigenzüchtung. „Kleinrahmiges Zeburind“ nennt er die Rasse, in die er Charolais-Rinder eingekreuzt hat. Alles dient einem Ziel: „Jeder Buckel muss Schinken, jedes Fleisch muss Premiumfleisch werden“ hat er sich zur Aufgabe gemacht.
Der säugende Jungbulle hat seine Mutter in der Statur bereits überholt.
Einer seiner Abnehmer ist der Berliner Spitzenkoch Holger Joost. Den Buckelschinken gibt es im Grand Hyatt in der Saison zum marinierten Spargel – „der pure Wahnsinn“, wie Joost sagt. „Der Schinken hat ein schön rauchiges Aroma und eine tolle Textur – hauchdünn aufgeschnitten schmilzt er im Mund“, schwärmt er. Bei VIP-Veranstaltungen kommt auch das Dry-Aged-Fleisch auf den Teller. „Das Feedback der Gäste ist sensationell“, sagt der Koch. „Das Entrecôte oder das Filet sind ganz großes Kino!“ Den Küchenchef freut, dass er zu seinem Essen eine gute Geschichte erzählen kann. Dass jemand die Philosophie hinter der Zebu-Zucht weitergibt, sei auch Nils Czaja ein großes Anliegen. „Die Leute wollen wissen, wo die Rinder stehen, wie sie gehalten werden.“ Und die ratlosen Gesichter, wenn er Kollegen das Fleisch serviert, freuen den Koch ebenfalls. „Die schauen mich fragend an und haben keine Ahnung, was sie da essen“, berichtet er. Für das Grand Hyatt sind regionale Partner wichtig – was hier den Gästen serviert wird, soll nicht zuvor durch ganz Europa gefahren sein. „Nils hat wirklich Pionierarbeit geleistet – und man merkt die außergewöhnliche Liebe, die er in das Projekt steckt.“
Die Zebuzucht bei Zossen war ursprünglich ein Artenschutzprojekt für Bienen und Erdwespen. Czaja ist auch kein gelernter Landwirt, sondern Versicherungskaufmann. Vor der Wende spielte er als Profi für die DDR Handball. Ehrenamtlich im Landschaftspflegeverband engagiert, suchte Czaja 2007 nach Tieren, die auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz weiden und den Boden für die geschützten Insekten auflockern sollten. Früher übten hier 40.000 Russen den Krieg. Ziegen und Schafe erwiesen sich als ungeeignet – die unempfindlichen Kühe schienen die perfekte Wahl. „Ich dachte, wir stellen ein paar Tiere auf die Fläche, schlachten sie und verkaufen das Fleisch teuer“, erinnert er sich. Nachdem die ersten 20 Zebus von einem Züchter angekommen waren, merkte er schnell, dass das Konzept so nicht aufging. „Die Resonanz auf das Fleisch war nicht gut – und die Kosten kletterten schnell immer höher.“ Als Autodidakt verstand er viel zu wenig von den Tieren, um ordentliches Fleisch hinzubekommen. Und obwohl die Zebus tatsächlich mit der mageren Kost auf der Weide gut zurecht kamen, war das nicht der Fall mit dem europäischen Klima. „Wir hatten im Winter Verluste bei den Kälbern – die Buckelrinder sind warmes asiatisches Klima gewohnt und nicht die bittere Kälte hier oben auf dem Berg“. Die Tiere leben im Open-Ranch-Betrieb das ganze Jahr im Freien und bekommen dort ihren Nachwuchs. „Ich habe eine Menge ausprobiert, was nichts gebracht hat“, so Czaja.
Der Umschwung kam nach einer Ausbildung zum Diplom-Fleischsommelier am WIFI (Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer) in Innsbruck. In der Ausbildung lernen die Teilnehmer alles über Produktion, Verarbeitung und Zubereitung von Fleisch. Czajas erfuhr, wie man durch richtige Fütterung die Fleischqualität beeinflussen kann und welche Bedürfnisse die einzelnen Rassen haben.
Zufütterung ist notwendig, wenn die Tiere kräftig werden sollen
Mit einem neuen Konzept machte er sich zuhause wieder an die Arbeit. Heute ist Zebuland Zossen nach Czajas Angaben der größte Zebubetrieb in Europa. Sieben Mutterkuhherden und eine Bullenherde grasen auf mehreren Weiden rund um seinen Heimatort Zossen. Insgesamt ist der Betrieb 120 Hektar groß – allerdings wird auf einem Teil des Landes das Futter für die Tiere angebaut. Wichtigste Neuerung ist eine Mastkoppel, auf der die Tiere vor der Schlachtung mindestens ein Jahr aufgefüttert werden. Alte fette Kühe, deren Fleisch unter Feinschmeckern als besondere Delikatesse gilt, dürfen länger stehen. Mit Biertreber, Hafer, Mais und Heu fressen sich die Tiere das Fett an, das für eine gute Fleischqualität unerlässlich ist. Auch auf der Mastkoppel achtet der Züchter auf das emotionale Wohlbefinden seiner Tiere. „Hier machen Kälber die Masttiere ruhiger – alle Kühe kümmern sich um die Jungtiere und sind so wunderbar beschäftigt“, so der Züchter.
Das Konzept der emotionalen Tiergesundheit hat sich Czajas selbst erarbeitet. Den Begriff entdeckte er als Werbeslogan auf einer Milchverpackung – doch was darunter zu verstehen ist, ließ sich auch nach längerer Recherche nicht klären. „Aber für mich war klar, dass es für die Fleischqualität entscheidend ist, ob es den Tieren gut geht oder ob sie beispielsweise unter Stress leiden“, so Czaja. So begann er seine Tiere über Jahre genau zu beobachten und ihre Bedürfnisse immer besser zu erkennen.
Das Fleisch verarbeitet Czaja in einem kleinen örtlichen Metzgerbetrieb, in dem alles noch in Handarbeit erledigt wird. Im Kühlhaus reifen die Rinderhälften bis zu 90 Tage lang und entwickeln so ein besonders intensives Aroma. „Zebu hat einen eigenen Geschmack“, erklärt Czaja. „Es ist intensiv, leicht nussig und würziger als herkömmliches Rindfleisch.“ Am ehesten sei es mit Büffel- oder Bisonfleisch zu vergleichen. Qualitativ sieht der Züchter sein Fleisch in einer Liga mit American Prime Beef. „Wir bekommen die Marmorierung mit unserer Weidehaltung nicht ganz hin, aber schlagen die Konkurrenz im Geschmack“, ist er überzeugt.
Derzeit liefert der Züchter das Fleisch noch persönlich an seine Kunden. Doch Qualität spricht sich herum – mittlerweile hat ein großer Spezialitätenmarkt aus Süddeutschland Interesse bekundet, seinen Kunden Zebufleisch und -schinken anzubieten. Und ein renommierter Onlinehändler hofft darauf, Dry-Aged-Fleisch ins Programm aufnehmen zu können, sagt Czaja.
Die höheren Preise für das Fleisch und vor allem den Buckelschinken findet er gerechtfertigt. „Ein Zebu hat ein Schlachtgewicht von 120 Kilo – im Gegensatz zu einem herkömmlichen Rind, das beim Schlachten 500 Kilo wiegt“, erklärt er. Die Arbeit bleibe die gleiche. Dafür verlangt er 20 Euro für das Kilo Schlachtgewicht – der Preis für Rindfleisch liegt derzeit zwischen drei und 4 Euro das Kilo. Vom Buckelschinken werden jeden Monat nur wenige Stücke hergestellt – der Muskelhöcker, aus dem er entsteht wiegt beim Bullen drei und bei einer Kuh gerade mal ein bis zwei Kilo. Bei der Vearbeitung gehen noch einmal 50 bis 60 Prozent des Gewichts verloren. Die Veredelung durch räuchern, pökeln, lufttrocknen und würzen dauert rund ein halbes Jahr. „Wer etwas Besonderes auf dem Teller haben möchte, bezahle die 650 Euro für ein Kilo Buckelschinken gerne“, sagt Czaja.
Kontakt: Zu erreichen ist der Züchter per E-Mail über:
nils-peter.czaja@zebuland.de
Zur Qualität von Zebufleisch
Gleich im Vorab: Normalerweise bietet das Zeburind nicht die beste Fleischqualität. Woher soll sie auch kommen. Von Natur hat das Zeburind einen nervösen Charakter und ist äußerst genügsam was das Futter angeht. Das zusammen bildet natürlich kaum intramuskuläres Fett aus, welches beim Fleisch ein wesentlicher Geschmacksträger ist. Wegen seines niedrigen Cholesteringehaltes wird das Zebufleisch jedoch auch geschätzt. Widersprüchlicher kann Fleischgenuss kaum sein. Nils-Peter Czaja war sich dessen bewußt und hat über eine Auslese bei der Zucht und über eine Endmast eine Zebu-Fleischqualität erreicht, die wohl derzeit einzigartig ist. Dies kann auch Ronny Paulusch, einer der bekanntesten Fleischspezialisten so bestätigen. Zebufleisch von einer 3 jährigen Färse oder einer mindestens 7 Jahre alten Kuh bringen die besten Ergebnisse.
Beitrag von Fridtjof Atterdal