Quality Sells – Fleischerhandwerk im Wandel
Seit über 20 Jahren beklagen die Landesinnungsverbände der Metzger den Rückgang von Fleischer-Fachgeschäften. Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) werden jedes Jahr mehr Betriebe geschlossen als eröffnet. Die Gründe dafür sind komplex. Wer als selbstständiger Handwerker in diesem Umfeld überleben will, braucht die Fähigkeit, um die Ecke denken zu können. Und den Mut, neue Ideen auch umzusetzen.
Helge Monse
Paul Lamping
War es anfangs eher ein geändertes Konsumverhalten der Verbraucher, das Metzgereien bundesweit zu schaffen machte, steht heutzutage das Problem des fehlenden Fachpersonals sowie der fehlenden Nachfolger für eine Betriebsübergabe im Vordergrund, wenn man nach Gründen für das Metzgereien-Sterben sucht. In Oldenburg traf es 2015 die Fleischerei Monse. Das Familienunternehmen galt jahrzehntelang als eine Institution im Herzen der niedersächsischen Stadt. Hier traf man sich wochentags für den regulären Wurst- und Fleischeinkauf sowie am Sonnabend, um die letzten Delikatessen fürs Wochenende einzukaufen und beim Schlangestehen mit den Nachbarn zu schnacken. Man beauftragte den Partyservice für das nächste Familienfest oder deckte sich je nach Saison mit Grillfleisch, Grünkohl mit Pinkel oder dem Weihnachtsgeflügel ein.
Doch unerwartete gesundheitliche Gründe führten dazu, dass der traditionelle Familienbetrieb das Ladengeschäft schließen musste und über 50 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verloren. Ein Nachfolger war nicht zu bekommen. Helge Monse fand schließlich passende Partner und baute das Traditionsunternehmen zum modernen Online-Handel um. Der gelernte Heizungsbauer und Elektrotechniker wurde einst vom Schwiegervater überzeugt, umzusatteln und den Beruf des Fleischermeisters und Wurstmachers im Familienunternehmen von der Pike auf zu lernen. Als waschechter Oldenburger ist er natürlich Grünkohl-Liebhaber, und so hat er sich besonders auf die Zubereitung von traditionellen Koch- und Kohlwürsten verlegt, ohne die in der kalten Jahreszeit kein ordentliches Grünkohlgericht auskommt und die Monse über seinen Online-Shop deutschlandweit und ins Ausland verschickt. Doch das ist ein Saisongeschäft. In der restlichen Zeit des Jahres stellt Monse Fleisch- und Wurstwaren nach dem Prinzip „from nose to tail“ her, und sogar die Rinderfelle werden gegerbt und über den Shop angeboten. Die Tiere stammen von nachhaltig wirtschaftenden Kleinbauern, die die Viehzucht meist nur im Nebenerwerb betreiben und von Massentierzucht weit entfernt sind. Dazu gehören auch die Galloways von Paul Lamping aus Telbrake bei Vechta. Der Bauunternehmer hat die Herde zusammen mit seinem Bruder vom Vater übernommen und betreibt die Zucht mit viel Herzblut. Knapp 70 Tiere umfasst die Herde, die bei Wind und Wetter auf der Weide steht und sich nur von Grünfutter ernährt. Neben dem frischen Gras wird bei Bedarf selbst erzeugtes Heu zugefüttert. Und so treffen wir bei unserem Besuch Lamping beim Mähen der sehr weitläufigen Weiden, und es braucht einige Zeit, bis wir auf uns aufmerksam machen können. Die genügsamen Rinder leben hier, wie es typisch und somit artgerecht für die Galloways ist. Monse bezieht von Lamping etwa ein Rind pro Monat und lässt es in einem Partnerbetrieb in Wildeshausen schlachten und verarbeiten, was für die Tiere einen kurzen Transportweg bedeutet. Die Rinder sind dann zwischen zweieinhalb und drei Jahre alt und bringen etwa 300 Kilogramm Schlachtgewicht auf den Haken. Monse betont, dass auch alle anderen Tiere, die er für die Produkte in seinem Online-Handel benötigt, von familiengeführten Kleinbetrieben stammen.
From nose to tail
Schlachtung, Zerlegung, Reifung, Verarbeitung und Versand findet bei der Fleischerei Tonn in Wildeshausen statt. Es ist ein kleiner, regionaler Schlachthof, der im Monat 10 bis 12 Großtiere sowie 50 bis 70 Schweine schlachtet und zerlegt und mit dem die Fleischerfamilie Monse schon seit etwa 25 Jahren zusammenarbeitet. Das Frischfleisch wird in Paketen der Firma Landpack zu den Kunden verschickt. Das Unternehmen hat umweltfreundliche und versandtaugliche Verpackungsboxen entwickelt, die auf kompostierbare Materialien wie Stroh und Hanf statt Styropor setzen. Wurst im Glas oder die vakuumierten Kohlwürste sowie der vorgekochte Grünkohl werden klassisch verpackt und versendet.
Das Galloway-Fleisch ist unser Thema bei den nachfolgenden Rezepten – schließlich wollen wir uns direkt vor Ort von der Qualität überzeugen. Sie stammen aus der Feder von Heinrich Herwig, einem norddeutschen Foodie, der seine Rezepte unter anderem auf seinem Blog „Gaumenschrei“ veröffentlicht. Helge Monse und er stehen gerne gemeinsam am Grill oder Herd und teilen ihre Leidenschaft für regional produzierte Zutaten.
Tomahawk-Steak vom Galloway mit gegrillter Polenta und Tomaten-Rote-Beete-Tunke
Zutaten :
• 1 Tomahawk-Steak vom Galloway‐Rind
• 125 g Polenta
• Olivenöl
• ½ l Rote Beete-Saft
• 5 Tomaten
• 1 Zwiebel
• 1 Knoblauchzehe
• einige Zweige Bohnenkraut
• 1 EL Honig
• Balsamico
• Tabasco
• 20 g Butter
• grobes Meersalz
Zubereitung:
Die Polenta nach Packungsangabe unter Zugabe von Salz und etwas Olivenöl kochen, auf Backpapier fingerdick ausstreichen und abkühlen lassen.
Für die Tunke die Zwiebel grob würfeln, den Knoblauch hacken und in Olivenöl zusammen mit dem Bohnenkraut anschwitzen. Honig dazugeben und weiter dünsten. Die Tomaten würfeln und mit einem Teil des Rote Beete-Saftes zu den Zwiebeln geben. Kräftig kochen lassen und ab und zu umrühren. Nach und nach den restlichen Saft zugeben. Kräftig einkochen lassen.
Das Tomahawk wird rückwärts gegrillt. Dafür das Steak zuerst bei etwa 80 °C im geschlossen Grillsystem bis zu einer Kerntemperatur von 50 °C indirekt grillen. Während dieser Zeit die Tomaten-Zwiebel-Soße in ein Sieb geben und gut durchdrücken. Den Saft solange einkochen, bis er etwas eingedickt ist. Mit Salz, Tabasco und Balsamico abschmecken und die Butter dazugeben.
Polentascheiben mit einem Servierring ausstechen, mit etwas Öl bepinseln und von beiden Seiten grillen. Das Tomahawk auf dem sehr heißen Grill fertig grillen, es soll ein schönes Branding bekommen. Das Fleisch aufschneiden, Polentascheiben dazulegen und Meersalz und Tunke darüber geben.