"So grillt die Welt" Nordafrika: Schmoren im Feuer

Wer schon mal Urlaub in den Maghreb-Staaten gemacht hat, dürfte wahrscheinlich an einer ganz besonderen kulinarischen Spezialität nicht vorbeigekommen sein: der Tajine. Was das mit Grillen zu tun hat, dazu später mehr. Die Tajine, auch Tagine oder Taschiin, ist ein Eintopf, der nach dem Gefäß benannt ist, in dem er zubereitet wird. Dabei ist Tajine nicht zu verwechseln mit Tajin, denn das ist eine vor allem in Mexiko sehr beliebte Würzmischung aus Chili, Salz und Limette. Und man sollte die Tajine ebenso wenig mit Tahini bzw. Tahin verwechseln. Denn dabei handelt es sich um Sesampaste. Deshalb also zurück zur Tajine. Gesehen hat diesen komischen Topf wahrscheinlich jeder schon. Allein deshalb, weil es zwei sehr bekannte Hersteller von gusseisernem Kochgeschirr gibt, die ein solches Kochgerät im Sortiment haben. Im Prinzip handelt es sich dabei um eine mal mehr, mal weniger flache Pfanne mit einem kuppel- oder zeltförmigen, relativ hohen Deckel. – Von Markus Mizgalski

Uralte Gartechnik
Die Tajine ist etwa seit dem achten Jahrhundert bekannt. Unter anderem findet sie auch Erwähnung in den Märchen aus 1001 Nacht, aber auch bei Chronisten aus der entsprechenden Zeit. Sie gehört zu den Kochgeräten, die sich aus dem Bedürfnis entwickelt haben, Lebensmittel möglichst ganz verwerten zu können und dabei so wenig Energie wie möglich aufwenden zu müssen. Und diese Energie wurde natürlich früher von Holz- oder Holzkohlefeuern geliefert, weshalb sie ein ausgemachtes Kochgeschirr für die Außenküche und damit letztlich für den Grill ist. Denn noch heute wird sie in ihren Ursprungsländern oft traditionell beheizt, was man zum Beispiel bei den Streetfood-Ständen in Städten wie Marrakesch beobachten kann. Spätestens dort wird einem klar, dass die Tajine kein Relikt aus vergangenen Zeiten ist, sondern bis heute ein elementarer Bestandteil der maghrebinischen und der Küche des nahen Ostens. Das hat Gründe, denn wie viele andere alte Zubereitungsarten hat sich das Kochen in der Tajine über die Jahrhunderte bewährt. Daher lohnt es, sich ein wenig mit ihrer Funktionsweise zu befassen.

Schmorpfanne
Die traditionelle Tajine ist aus Tonkeramik gefertigt, wahlweise glasiert oder unglasiert. Modernere Versionen können außerdem ganz oder zumindest beim Unterteil aus Gusseisen sein. Das sind dann die in Europa entwickelten Exemplare, die man hierzulande in gut sortierten Haushaltswarengeschäften kaufen kann. Für die klassische Variante muss man sich eher in Geschäften oder Online-Shops umsehen, die sich auf Spezialitäten vom afrikanischen Kontinent oder aus dem arabischen Raum spezialisiert haben. Unabhängig vom Material ist aber das Funktionsprinzip immer dasselbe: Die beim Garen in Form von Dampf entweichende Flüssigkeit kondensiert an dem Deckel wegen dessen besonderer Form nahezu vollständig und läuft wieder in die Pfanne zurück. Dadurch sind selbst lange Garzeiten ohne erneute Flüssigkeitszugabe möglich. Auch das ist in Ländern, in denen Wasser eine knappe Ressource war und ist, ein wichtiger Aspekt. Um diesen Effekt noch zu verstärken, haben Tajines an der höchsten Stelle des Deckels eine Mulde, die mit Wasser befüllt werden kann. Das sorgt für zusätzliche Kühlung und bessere Kondensation. Zudem erfolgt die Zubereitung die meiste Zeit über bei niedrigen Temperaturen, was im Endeffekt weniger Brennstoff verbraucht.

Die traditionelle Tajine ist aus Keramik, glasiert oder unglasiert. Sie muss behutsam erwärmt werden, weil sie sonst zerspringen kann.

Die Variante mit der Gusseisenpfanne ist die europäisierte Tajine. Sie lässt sich sehr simpel im Grill verwenden.

Leichte Gemüseküche ist in einer Tajine überhaupt kein Problem. Die Zubereitungsart sorgt für Aroma, aber das Gemüse behält noch Biss.

Der Vorteil der Gusseisenpfanne liegt darin, dass sie sich besser zum Anbraten eignet als die einer keramischen Tajine.

Die Tajine als Gericht ist eine Art Eintopf, aber dennoch ganz anders als das, was wir darunter verstehen.

Die Gerichte
Die in einer Tajine zubereiteten Gerichte heißen ebenfalls Tajine. Was allerdings darin zubereitet wird, variiert von Land zu Land. Sehr häufig erwähnt wird ein klassisches Rezept im Qidra (Kidra, Qidreh)-Stil. Dabei handelt es sich um einen traditionellen Eintopf aus Palästina, dessen Basis geklärte Butter ist. Als Fleisch kommt hier Hühnchen zum Einsatz. Im Gegensatz dazu verwendet man bei der marokkanischen Variante (Muqawlli) in Olivenöl eingelegte Zutaten, als Fleisch typischerweise Lamm. Allerdings ist die marokkanische ebenso wie die algerische Küche hinsichtlich ihrer Tajine-Rezepte sehr breit aufgestellt. Fisch, Fleisch, Gemüse – in dem Schmortopf wird eigentlich alles zubereitet. Ein zentrales Element dabei ist immer die Brühe, die sich praktisch während des Kochens selbst zubereitet. Nicht zuletzt deshalb ist Brot eine typische Beilage zu Tajines.

Praktische Anwendung
Wer hier bei uns mit einer Tajine kochen möchte, muss weder besonders tief in die Tasche greifen noch sonst besonders viel Aufwand betreiben. Keramik-Tajines bekommt man ab etwa 30 Euro, solche aus Gusseisen ab 70 bis 80 Euro. Die Modelle von Herstellern wie LeCreuset oder Staub sind deutlich teurer, aber so viel Geld muss man nicht zwingend investieren. Ob man sich bei einer Keramik-Tajine für eine glasierte oder unglasierte Variante entscheidet, ist ein wenig Geschmackssache. Ohne Glasur entwickelt sich mit der Zeit eine schöne Patina, mit Glasur ist das Kochgerät leichter zu reinigen. Bei Keramik-Tajines ist allerdings etwas Vorsicht beim Erhitzen geboten. Zu hohe Temperaturen in zu kurzer Zeit lassen das Material platzen. Bei unglasierten Exemplaren kann man das langsame Erwärmen dadurch forcieren, dass man die Pfanne zunächst eine Stunde in Wasser legt. Hohe Temperaturen sind aber eigentlich nur am Anfang nötig, um den Zutaten eventuell einige Röstaromen zu verpassen. Das klappt durchaus auch in den keramischen Töpfen, allerdings hat dabei Gusseisen gewisse Vorteile. Und nach dem Anbraten geht es im Prinzip so weiter, wie wir das von heimischen Eintöpfen kennen: Es wird Flüssigkeit angegossen und das Ganze köchelt bei geringer Hitze weiter. Es findet dann eine Art schonendes Dampfgaren mit sehr gleichmäßiger Rundumhitze statt. Das Ganze ist ein Garprozess, der sich ganz hervorragend im Grill umsetzen lässt – Spaß macht das vor allem im Holzkohlegrill.

FAZIT:

Die Tajine ist aus gutem Grund ein seit Jahrhunderten beliebtes Kochgerät im arabischen Raum. Und sie lohnt sich in jedem Fall auch als Ergänzung für den heimischen Grill. Denn während der Dutch Oven als Schmortopf ja doch häufig für sehr fleischlastige, schwere Eintöpfe zum Einsatz kommt, ermöglicht die Tajine eben vor allem leichtere Schmorzubereitungen, ist also ideal für sommerliche Gerichte.