Hof Janus: Kunst trifft Kuh

Erzeugung und Verkauf von Rindfleisch ist nur ein Standbein des Hofs Janus, eine weitere Rolle nimmt der Kunstaspekt ein.

In der Zeit von 2001 bis Ende 2020 sank die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland um mehr als 40 Prozent. Sich als junger Mensch für eine bäuerliche Existenz zu entscheiden, ist für viele nicht mehr attraktiv. Der überwiegende Teil (80 Prozent) der landwirtschaftlichen Betriebe liegt in Familienhand. Sie haben es aus den unterschiedlichsten Gründen schwer, ihren Nachwuchs für eine Übernahme zu begeistern. Anders bei Kriste und Jörg Tillmann. Als sie vor sechs Jahren die Möglichkeit bekamen, in Ochtrup einen in der Familie freigewordenen Hof zu übernehmen, griffen sie kurzerhand zu und bauten den ehemals konventionellen landwirtschaftlichen Betrieb zu einem Hof für Kunst und Kuh um.

Jede Generation entwickelt eigene Wege für sich. Was gut ist, da nur so wirklich Neues entstehen kann. Neben einer gehörigen Portion Mut und Umgestaltungswille braucht es das gewisse Quäntchen Glück dazu. Kriste und Jörg besitzen von allem etwas und dazu die Fähigkeit, ihre Talente für ein gemeinsames Ziel (zusammen-) wachsen zu lassen. Denn dieses Ziel war schnell definiert: Der ehemalige Milchhof, seit über 100 Jahren in Familienbesitz, sollte für konsequente Weidehaltung umgebaut werden und ohne Hochleistungsendmast, nur mit Wiesengras und Luzerne aus eigenem Anbau, und mit viel Zeit zum qualitativ guten Fleisch führen. Eine anspruchsvolle Aufgabe, bei der ihnen viel Gegenwind entgegenschlug. „Das geht so nicht“, war der Tenor.

Es ging auch manches nicht wie gedacht, und die ersten drei Jahre haben die beiden mit der Landwirtschaft kein Geld verdient. Das zum Hof gehörende Land wurde neu strukturiert. Waren es anfangs 10 ha Grünland und 40 ha Ackerfläche, sind es jetzt nur noch 7 ha Ackerland und der Rest Grünland. Den Weg so zu gehen, muss man erst einmal können und wollen. Es war aber von Anfang an klar, dass die Rinderzucht – sie haben sich auf Aberdeen-Angus spezialisiert – nicht das alleinige Standbein sein kann und wird. Dafür ist ihre Art der Zucht zu zeitintensiv. Ihre Ochsen dürfen erst drei Jahre auf der Weide leben, bis irgendwann im vierten Jahr für sie der Zeitpunkt der Schlachtung gekommen ist. „Monetär nicht sinnvoll“, wie Kriste lachend erzählt. Doch für beide kommt eine frühere Schlachtung nicht mehr in Frage, seit sie es bei einem Ochsen erst nach vier Jahren übers Herz bringen konnten, ihn zu Steaks und Co. zu verarbeiten. Beide waren von der überaus guten Fleischqualität überrascht und so wurde diese Erfahrung kurzerhand zur Regel. Alle sechs Wochen wird ein Tier geschlachtet, und dieses darf seit neuestem per Weideschuss geschehen. Generell war es ein langwieriger und anstrengender Prozess, eine geeignete und gewillte Metzgerei zu finden, die in der Lage war, die 600 bis 700 Kilogramm Schlachtgewicht pro Tier zu verarbeiten und vier Wochen abhängen zu lassen. „Wenn du etwas Spezielles machst, woraus ein hochwertiges und nachhaltig erzeugtes Produkt entstehen soll, geht Standard einfach nicht“, so Kristes und Jörgs Erfahrung. Mittlerweile konnten sie die nötigen Strukturen aufbauen und festigen.

Der Hof Janus hat sich auf Aberdeen-Angus spezialisiert.

Kriste verarbeitet ihr Künstlergen in charakterlichen Skulpturen und Objekten aus Keramik.

Janus, der Zweigesichtige
Genauso konsequent wie ihre Aufzugsphilosophie ist ihre Verkaufsstrategie. „Wir verkaufen von Anfang an keine großen Pakete“, erklärt Jörg. „Wir haben festgestellt, dass es für unsere Kunden oftmals schwierig ist, den Verbrauch eines ganzen Fleischpakets zu bewerkstelligen.“ In ihrem Hofladen soll man das Angus-Fleisch möglichst einkaufen können wie beim Metzger und so gibt es allenfalls kleine Pakete zur Auswahl. Für Suppenfleisch etc. haben sie eine Convenience-Lösung mit einem Unternehmen von Tim Mälzer gefunden. Aber die Erzeugung und der Verkauf von hochwertigem Rindfleisch ist nur ein Standbein des Hofs Janus. Das suggeriert schon der Name, der sich auf den römischen Gott mit den zwei in entgegengesetzte Richtungen blickenden Gesichtern bezieht. Eine weitere große Rolle nimmt der Kunstaspekt ein, den Kriste mit auf den Hof gebracht hat. Sie stammt aus einer litauischen Kunst- und Handwerker-Familie und verarbeitet ihr Künstlergen in charakterlichen Skulpturen und Objekten aus Keramik, der Hof ist dafür Inspirationsquelle, Atelier und Ausstellungsraum gleichermaßen. Dass die Symbiose dieser vermeintlich gegensätzlichen Prägungen gut funktioniert, hat FIRE&FOOD bei einem Besuch im Münsterland erleben können. Ob Hof- oder Feldarbeit, Putzen, Grillen, Veranstaltungen auf dem Hof planen und durchführen oder Ideenschmiede: Kriste und Jörg haben keine Angestellten und machen alles gemeinsam und gehen auch jede Herausforderung zu zweit an. Es ist ein eindrucksvolles und energiegeladenes Paar, von dem wir sicherlich noch einiges hören werden. Wer in der Gegend unterwegs ist, sollte auf jeden Fall bei den beiden einen Stopp einplanen.

 

Adresse:
Hof Janus – Jörg und Kriste Tillmann
Wester 103
48607 Ochtrup

Näheres unter www.hof-janus.de, über aktuelle Termine informieren die beiden über ihre Social Media-Kanäle.