Istanbul – Brücke zwischen Menschen und Kulturen

Küchenkünstler und Entertainer Metin Calis schlägt mit seinen Dinner-Menü-Shows „Sofra Del Sol – die Sonnentafel“ eine kulinarische Brücke über den Bosporus mitten in unsere europäische Seele. Für FIRE&FOOD war der gebürtige Heidelberger mit türkischen Wurzeln in Istanbul unterwegs, um uns die Stadt auf kulinarischem Wege zu zeigen.

Ich werde nie meinen ersten Besuch 2009 – genau 30 Jahre nach meinem letzten Urlaub als Kind – in dieser Stadt vergessen. Ali Güngörmüs, langjähriger Küchenchef des Hamburger Sterne-Restaurants „Le Canard Nouveau“, hatte die Reise initiiert. Von da an war ich bis Herbst 2015 jedes Jahr in Istanbul – immer mit einem Praktikum im Haci Abdullah, einem alteingesessenen Restaurant mit einer über hundertjährigen Geschichte und auf traditionelle Speisen aus Anatolien spezialisiert, verbunden. Diese Aufenthalte stärkten meine anhaltende Faszination für die Welt der Gewürze, deren Einsatz ich schon als kleiner Junge in der Küche meiner Mutter geliebt habe. Doch natürlich ist da auch die Anziehungskraft Istanbuls, die in mir immer wieder den Wunsch weckt, die Stadt neu zu erleben.

Zwei- bis dreimal wöchentlich steht Yavuz Zangoç auf der Galatabrücke
beim Angeln.

Für FIRE&FOOD ist der gebürtige Heidelberger mit türkischen Wurzeln Metin Calis in Istanbul unterwegs und bereitet landestypische Fischspezialitäten zu.

 

Wenn mich jemand fragt, wo sich in dieser pulsierenden Stadt das echte Leben abspielt, fallen mir mehrere Orte ein, aber ganz besonders schnell kommt mir die Galatabrücke in den Sinn. Sie ist zwar ein Touristenmagnet, wie man unschwer an dem Sprachengewirr um einen herum erkennen kann, aber außerdem ein Ort, an dem sich Orient und Okzident begegnen. Die Brücke führt über das Goldene Horn, einen Meeresarm, der in den Bosporus reicht, und verbindet auf zwei Etagen die Stadtteile Eminönü und Beyoglu. Ersterer ist der Verkehrsknotenpunkt der Stadt, wo nicht nur die europäischen Züge ihren letzten Halt haben, sondern sich auch Istanbuls bedeutendster Fährhafen befindet. Hier sollte man auf jeden Fall einen Bazar-Besuch einplanen, insbesondere der Misir Carsisi zählt zu meinen persönlichen Hot Spots. In Beyoglu geht es ebenfalls quirlig zu, von hier aus erreicht man auf kurzem Fußweg den Galataturm aus dem 14. Jahrhundert, der alles überragt und von dem aus man einen spektakulären Blick auf die Silhouette des historischen Zentrums, über das Marmarameer und den Bosporus hat. Man bekommt vor allen Dingen einen guten Eindruck darüber, wie sich das Leben in einer Metropole mit offiziell 13,6 Millionen Einwohnern anfühlt. Die Zahl ist das Ergebnis der letzten Volkszählung. Allerdings gehen neuere Schätzungen davon aus; dass in der schnellwachsenden Stadt im Jahr 2025 an die 20 Millionen Menschen leben werden.

Doch zurück zur Galatabrücke und unserem Hauptthema frischer Fisch! Hier wird dieser nämlich angeboten, entweder tatsächlich frisch geangelt direkt vor Ort oder morgens von einem der vielen Fischerboote aus dem Bosporus gezogen, aber leider auch – wie wohl überall auf der Welt, wo Food-Touristik ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist – aus irgendwelchen globalen Beständen stammend. Zubereitet als „Balik Ekmek“ mit einem Salatblatt ins Brötchen gepackt oder köstlich gegrillt. Erhältlich an einem der kleinen Stände auf und an der Brücke, auf den am Ufer dümpelnden Booten oder in einem der vielen Fischrestaurants, die wie Perlen an einer Kette nebeneinander liegen und die untere Ebene der Brücke mit Leben füllen. Wer hier seinen Fisch verspeist, bekommt nicht selten hautnah die Erfolge der obenstehenden Angler mit. Denn die Istanbuler selbst versorgen sich seit Generationen ganz pragmatisch mit Fisch – nicht nur an den kilometerlangen Ufern des Bosporus, sondern auch überall auf der Brücke stehen Angler, die für ihre nächste Mahlzeit sorgen. Wer sein Equipment vergessen hat oder mit den unterschiedlichsten Ködern und Blinkern aufstocken will, hat dazu in den umliegenden Geschäften reichlich Gelegenheit. Doch dieses Treiben bleibt nicht ohne Auswirkungen auf den Fischbestand, denn immer mehr Einwohner bedeuten auch immer mehr Angler. Es ist – wie so oft – eine Gradwanderung zwischen gelebter Tradition und wirtschaftlicher Notwendigkeit.

Zu den bekanntesten regionalen, authentischen Fischspezialitäten gehören beispielsweise gegrillter Lüfer (Blaufisch), Cupra (Dorade) sowie Levrek (Wolfsbarsch). Ich kombiniere sie in meinen Rezepten mit typisch türkischen Gewürzen, die sich nicht nur besonders gut mit rauchigen Aromen verbinden, sondern ebenso überraschende schokoladige,fruchtige und teils erdige Noten mit ins Spiel bringen. Wohl dosiert, um den frischen Charakter der Fische hervorzuheben, ohne diese zu beschweren. Als kulinarischer Gruß aus Istanbul, der Stadt der Gegensätze.



Levrek Cim Bom mit Rettich, Tahin und Mandeln

Zutaten (für 4 Personen):
• 4 Levrek (Wolfsbarsche)
• 4 Frühlingszwiebeln,
über dem Feuer dunkel gegrillt

Für den Salat:
• 2 schwarze Rettiche, in dünne Scheiben geschnitten
• 2 rote Rettiche, in dünne Scheiben geschnitten
• 2 Blätter Rotkraut, Strunk entfernt
  und in mundgerechte Stücke gezupft
• 1 Bund Rucola, gewaschen und in kleine Stücke gezupft
• 3 EL Mandeln, im Ganzen belassen
• 3 EL Johannisbrotsirup
• 2 TL türkischer wilder Oregano, mit den Fingerspitzen zerdrückt
• 2 TL getrocknete Minze
• 2 TL Kreuzkümmel
• 5 EL Olivenöl
• Saft von ½ Zitrone
• 4 EL Tahin (Sesammus)
• Salz, Zucker

Die Wolfsbarsche ausnehmen, Kiemen entfernen, Bauchhöhle auswaschen, trocken tupfen und mit Rapsöl bestreichen. Leicht salzen und bei etwa 180 °C grillen. Anschließend Levrek und Frühlingslauch im Ganzen auf dem Salat anrichten.

Für den Salat beide Rettichsorten mit dem Rotkraut mischen, leicht salzen, zuckern und für fünf Minuten einwirken lassen. Rucola und Mandeln unterheben und mit den restlichen Zutaten abschmecken. Tahin zum Schluss über dem Gericht verteilen.

 

 

 

Dieser Artikel mit weiteren Rezepten erschien erstmals in der FIRE&FOOD Ausgabe 02/2019.