Kampot- Pfeffer hilft
Das Gewürz ist ein doppelter Glücksfall, für die Gourmets dieser Welt sowie für die kleinen Bauern der kambodschanischen Provinz. Text: Klaus Sieg, Fotos: Martin Egbert
Chang Deang wischt seine Hand in der abgetragenen Arbeitshose ab. Vorsichtig greift er nach einer der Rispen mit den grünen Körner, zieht einige ab und legt sie auf seine Handfläche, an der eben noch die rötliche Erde geklebt hat. „Probieren Sie mal, die sind schön scharf.“ Ein Lächeln öffnet das hagere Gesicht des Farmers. „Wir kochen häufig mit dem jungen, grünen Pfeffer“, sagt der 67-Jährige aus der kambodschanischen Provinz Kampot. „Am liebsten essen wir ihn mit Shrimps und Reisnudeln.“
Frisch, ätherisch und scharf, bereits die direkt vom Strauch gepflückten, noch grünen Pfefferkörner veredeln jedes Gericht.
Die Schärfe breitet sich rasch im ganzen Mundraum aus. Aber da ist auch noch viel mehr: der Geschmack nach Zitrusfrüchten und Thymian, nach Mineralien und etwas Eukalyptus sowie nach frischem Grün. Still und freundlich beobachtet Chang Deang die Reaktion seines Gegenübers. Er weiß um die Besonderheit seines Pfeffers. Schließlich pflanzt und pflegt er ihn in dritter Generation. Täglich geht er durch die Reihen der bis zu fünf Meter hohen Pflanzen, die sich immer jeweils zu zweit an einem Holzpfahl hochranken. Ursprünglich wächst Pfeffer im Wald, wo er an den Bäumen in Richtung Sonnenlicht klettert. Je nach Jahreszeit schneidet Chang Deang zurück, kontrolliert auf Schädlinge, lockert den Boden, düngt und bewässert. „In der Trockenzeit muss ich das jeden zweiten Tag tun, die Pfefferpflanze braucht viel Wasser.“ Dafür hat Chang Deang einen Teich angelegt, in dem er über die Monate das Regenwasser sammelt.
Zwischen März und Juni dann wird fast täglich geerntet. Alle diese Arbeiten erledigen Chang Deang, sein Schwiegersohn sowie seine beiden Töchter ausschließlich per Hand. Das sichert die hohe Qualität des Produktes.
Kampot-Pfeffer soll der beste der Welt sein. Chefs und Hobbyköche schwören gleichermaßen auf das Gewürz aus dem Südwesten Kambodschas. Die dort produzierten Mengen sind überschaubar. Nur 300 Pfefferpflanzen wachsen auf Chang Deangs Farm, die kaum größer als ein halbes Fußballfeld ist. „Letztes Jahr habe ich gerade einmal 240 Kilogramm ernten können, und das war ein gutes Jahr!“ In der gesamten Provinz Kampot beträgt die Jahresernte knapp 80 Tonnen. Die Pflanzen dort bringen im Durchschnitt jeweils kaum mehr als ein Kilogramm Pfeffer. In Vietnam dagegen, mit 220.000 Tonnen pro Jahr der weltweit größte Produzent, ist es das vier bis fünffache pro Pflanze. Auch diese geringe Verfügbarkeit macht den Kampot-Pfeffer begehrt.
Vor allem aber ist es seine besondere Qualität. Die ist den traditionellen Anbaumethoden auf den überwiegend kleinen Farmen geschuldet, dem sehr feuchten und warmen Klima nahe der Küste am Golf von Thailand sowie den mineralhaltigen und durchlässigen Böden. Auch wächst der Pfeffer in Kampot häufig an alten Pflanzen, die tiefe Wurzeln ausgebildet haben. Zudem sind chemischer Dünger sowie Pestizide verboten. Chang Deang düngt ausschließlich mit Kuhmist und Guano. Den Fledermauskot sammeln die Farmer mit Planen unter Bäumen, an denen die Tiere hängen. Andere Bauern stellen auch Düngemittel aus Reisfeldkrabben, Rinderknochen oder Garnelenschalen her. Schädlinge hält Chang Deang mit Jauche aus Neem oder Tabak fern.
Mehrere Tage hintereinander breiten die Frauen die Körner zum Trocken in der Sonne aus und lagern sie abends wieder ein.
Waschen der schwarzen Körner – die Mitarbeiterinnen verdienen faire Löhne bei geregelten Arbeitszeiten. In Kambodscha eine Seltenheit.
Heißes Wasser anstatt Wasser-dampf – so werden Keime abgetötet ohne zu viele Aromen zu vernichten.
Sébastien Lesieur lebt seit über zwanzig Jahren in Kambodscha. Davor hatte er als Ingenieur für Kommunikationstechnologie in Paris gearbeitet. Langeweile und Tristesse trieben ihn nach Südostasien. In Kambodscha war er zunächst im Entwicklungsdienst tätig. Dann gründete er Farmlink. Die Organisation verarbeitet und vermarktet den Pfeffer von bis zu achtzig kleinen Produzenten aus der Region. Sie hilft den Farmern bei der Verbesserung des Anbaus und bei der Vorfinanzierung ihrer Ernte. Vor allem aber verschafft sie ihnen Zugang zu Märkten in Europa und bezahlt einen fairen Preis. „Wir bezahlen den Farmlink-Farmern doppelt so viel wie die anderen Händler und Verarbeiter in Kampot und das Zehnfache von dem, was ein Pfeffer-Farmer zurzeit in Vietnam bekommt.“
Franzosen waren es auch, die als Kolonialmacht den Anbau von Pfeffer in Kampot einführten, um damit den Bedarf im eigenen Land zu decken. Von den 8.000 Tonnen Gesamternte des Kampot-Pfeffers, die Anfang des 20. Jahrhunderts in der Region produziert wurden, ging über die Hälfte nach Frankreich. Noch 1960 gab es in Kampot rund eine Million Pfefferpflanzen. Das allerdings fand 1975 ein plötzliches Ende, nachdem die Roten Khmer nach einem langen Bürgerkrieg ihre Schreckensherrschaft errichtet hatten, die bis zu 2,2 Millionen Kambodschanern das Leben kostete. Aus Pfeffer-Plantagen wurden mittels Zwangsarbeit Reisfelder. Der Kampot-Pfeffer geriet in Vergessenheit. Zwar wurden die Roten Khmer durch den Einmarsch der Vietnamesen 1979 gestürzt. Sie konnten sich aber als Guerillaarmee in einigen Provinzen und Regionen halten, unter anderem auch in den Bergen Kampots. Erst Ende der 1990er Jahre kam das kleine Land mit heute knapp 17 Millionen Einwohnern endgültig zu Ruhe. Seit den 2000er Jahren läuft auch die Wiederbelebung des Pfefferanbaus in der Provinz. 2005 gegründet war Farmlink also so gut wie von Anfang an dabei. Die Anzahl der vertretenen Farmer und die Mengen an Pfeffer variieren von Jahr zu Jahr. Insgesamt aber steigt der Absatz deutlich. „Vor zehn Jahren waren es noch fünf bis sechs Tonnen, heute vermarkten wir über zwanzig Tonnen pro Jahr.“ Farmlink bringt also ein Viertel der gesamten Ernte der Provinz Kampot in die Welt. Hauptsächlich geht der Gourmetpfeffer nach Frankreich und Deutschland, wo er vor allem von Hennes Finest vertrieben wird. Der engagierte Pfefferhandel dreier ehemaliger Sportstudenten betreibt in Köln eine Pfeffer-Boutique mit allerbester Kampot-Ware. Aber auch in die USA oder nach Australien verkauft Farmlink die scharfen Körner.
Überschaubar ist die Größe der Plantagen der Farmlink-Bauern. Sébastien Lesieur im Gespräch mit Chang Deang.
Egal wo der Pfeffer hin exportiert wird, jede Marge lässt sich dank genauer Dokumentation bis zum einzelnen Kleinbauern zurückverfolgen. Alles wird bei Farmlink sorgsam bearbeitet. Vor Sébastien Lesieurs Büro breiten Mitarbeiterinnen im Garten auf langen Tischen schwarzen Pfeffer zum Trocknen aus. Zuvor haben sie ihn per Hand in großen Wannen gewaschen und im heißen Wasserbad von Keimen befreit. „Wasserdampf wäre zu heiß, er würde den Aromen schaden“, erklärt Sébastien Lesieur. Das Trocknen geht über mehrere Tage. Abends schieben die Mitarbeiterinnen den Pfeffer wieder zusammen und lagern ihn ein. Am nächsten Tag breiten sie ihn von neuem aus. Immer wieder sortieren sie dabei schadhafte Körner aus.
Am Ende der Trocknung, vor der Verpackung der Ware, gibt es noch eine finale Qualitätskontrolle. In einem Raum der Villa sitzen Mitarbeiterinnen in weißen Kitteln mit Masken und prüfen die Körner mit einer Pinzette. Bis zu ein Fünftel der Ernte wird so bei der Bearbeitung noch einmal aussortiert. Sébastien Lesieur begutachtet eine Schale mit schwarzen Körnern. Auf Khmer gibt er Anweisungen und scherzt mit den Mitarbeiterinnen. Die Stimmung ist locker. Farmlink bezahlt auch seine Mitarbeiterinnen gut. Zudem arbeiten sie nur an fünf Tagen, anstelle der im Land sonst üblichen sechs.
Wie auch bei anderen Sorten gibt es drei verschiedene Pfeffer aus Kampot. Reif sind die Pfefferbeeren, wenn sich ihre Haut am Strauch rot verfärbt. Werden sie erst dann geerntet, wird ihre Schärfe durch viel Süße ausbalanciert. Sie schmecken zudem fruchtig und passen sehr gut zu Salaten oder Suppen. Schwarzer Pfeffer wird aus den unreif geernteten, grünen Beeren gewonnen, die über einige Wochen in der Sonne trocknen und sich mit der Zeit verfärben. Er schmeckt scharf und kräftig, eignet sich am besten zu Fleischgerichten. Bei weißem Pfeffer wird die Haut abgewaschen, was ihm eine pikante und säuerliche Note gibt.
Noch sind die Körner an den Pflanzen von Chang Deang grün. Die Erntezeit beginnt erst in einigen Wochen. Dann fährt fast jeden Tag ein Transporter von Farmlink bei ihm vor. Eigentlich lag die Farm seiner Familie, auf der er bereits als Kind gearbeitet hat, etwas weiter hinein in die Berge. Die Roten Khmer haben sie zerstört. Weiter darüber sprechen möchte er nicht. Lieber erzählt er davon, wie er vor über zwanzig Jahren die Tradition wieder aufgenommen hat. Seitdem ist es vor allem dank Farmlink für ihn stetig bergauf gegangen. „Wir können Helfer bezahlen, haben uns ein Motorrad, einen kleinen Traktor sowie eine Pumpe für die Bewässerung angeschafft“, sagt er zufrieden. „Zudem haben wird unser Haus renoviert und neue Möbel gekauft.“ Für den eigenen Bedarf baut die Familie Reis und Gemüse an. Das Einkommen aber bringt der Pfeffer. Dann reicht Chang Deang uns noch ein paar grüne Körner. Pfeffer aus Kampot tut gut. Den kleinen Farmern. Und dem Gaumen sowieso.
Gewissenhafte Kontrolle vor der Verpackung, auch hier sichern Hand- und Augenarbeit hohe Qualität.
Bis hin zum einzelnen Korn wird geprüft, im Zweifel mit der Pinzette.
Reif und Trocken, die roten Körner haben am meisten Sonne abbekommen, schmecken entsprechend mild und fruchtig.