Feine Schweinerei aus Nordhessen: Wurstproduktion mit Luft und Liebe!

Der alte Spruch „Das beste Esse gibt’s beim Hesse“ gilt auf jedenfall für die nordhessische Ahle Wurst, auch Ahle Wurscht oder Worscht genannt. Die Rede ist von einer Rohwurst aus Schweinefleisch, die traditionell bei den früher üblichen Hausschlachtungen hergestellt wurde. Das Besondere an dieser Wurst ist die Warmverarbeitung des frisch geschlachteten Schweinefleischs, das von schweren Schweinen stammen muss.

3 bis 9 Monate müssen die Würste in der „Wurschte-kammer“ reifen, um eine echte „Ahle Wurscht“, also eine „alte Wurst“, zu werden.

Um die hohe Kunst des Wurstmachens zu erlernen, empfahl schon 1785 eine Wanderordnung den fahrenden Metzgergesellen, auf jeden Fall in der nordhessischen Stadt Kassel Station zu machen. Diese Gegend ist die Heimat der traditionellen „Ahle Wurst”– eine handwerklich hergestellte Rohwurst, die heute nur noch von wenigen Metzgern produziert wird. Einer davon ist Carsten Neumeier, der die Ahle Wurscht in Hessisch Lichtenau-Waldburg am Fuße des Hohen Meißners noch immer so produziert, wie es sein Großvater schon vor 100 Jahren gemacht hat. Eine über Generationen lebendig gebliebene Handwerkskunst, die nicht mehr braucht als ein gut aufgezogenes und geschlachtetes Schwein mit mindestens 150 Kilogramm Schlachtgewicht, Kochsalz und frischen Knoblauch, der vorher in 54 % vol starkem Pott Rum gezogen hat. Alles zusammen wird schlachtwarm – also wenige Zeit nach der Schlachtung – durchgedreht und in Naturdärme abgefüllt, die anschließend eventuell leicht geräuchert werden und – je nach Kaliber der Därme – für 3 bis 9 Monate in der „Wurschtekammer“ reifen müssen, um eine echte „Ahle Wurscht“, also eine „alte Wurst“, zu werden. „Die schlachtwarme Verarbeitung ist wichtig, um eine mürbe, marzipanähnliche Konsistenz der Wurst zu erhalten. Ein besonderes Merkmal der Ahle Wurscht“, erläutert Neumeier. Er verwendet für die Wurst hauptsächlich Schweine der Rasse Deutsches Landschwein sowie je nach Verfügbarkeit Schwäbisch-Hällische Weideschweine, Mangalitza oder gar die wilden Artgenossen, und auch die edleren Fleischteile wie etwa Lende, Schulter oder Kotelett werden mit verwurstet.

Damit die Tiere ihr Schlachtgewicht erreichen, werden sie erst mit etwa 9 bis 10 Monaten geschlachtet. Nur so trocknet und reift die Wurst, ohne dass tiefe Falten entstehen – ein untrügliches Zeichen für das Fleisch eines zu jungen Schweins. Der Metzger vergütet den Bauern den Mehraufwand der längeren Mastzeit mit 80 Cent pro Kilo über der jeweils aktuellen Schweinepreis-Notierung.

„Jede Ahle Wurscht muss wie eine junge Frau behandelt werden“, lacht Neumeier und meint damit, dass jede einzelne Wurst viel Aufmerksamkeit braucht, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Zum „Pflegeprogramm“ gehört das Lüften der „Wurschtekammer“, um für die richtige Luftfeuchtigkeit zu sorgen, das regelmäßige Drehen der Würste und bei Bedarf das Abbürsten des Naturschimmels, dessen Bildung für den Reifungsprozess essenziell ist und mit dem sich Kollegen gerne als Starterkultur versorgen, wenn sie beispielsweise eine neue Reifekammer einrichten.

Familie Neumeier, die nächste Generation ist ebenfalls schon in der Ausbildung bzw. besucht gerade den Meisterkurs, schlachtet etwa 10 bis 15 Schweine pro Woche. Die Tiere werden am Vorabend von Bauern aus dem regionalen Umfeld selbst angeliefert, so dass der ganze Prozess mit möglichst wenig Stress abläuft. Wovon sich jeder ein Bild machen kann, der bei Neumeier ein Schlacht- oder Wursteseminar bucht. Denn die Kursteilnehmer sind bei der normalen Schlachtung dabei und dürfen unter Neumeiers fachkundiger Anleitung sogar mit anfassen. Frühes Aufstehen inklusive, um 4 Uhr geht es los!