Mit Zucht und Ordnung: Der Zander
Seit Jahrzehnten steigt weltweit der Fischkonsum und etwa die Hälfte der Fische stammt aus Aquakultur – wurde also nicht wild gefangen, sondern gezüchtet. In Süßwasserteichen, Meeresgehegen oder – wie seit einigen Jahren – in geschlossenen Kreislaufanlagen. Prognosen gehen davon aus, dass dieser Anteil in den nächsten 20 Jahren auf bis zu 80 Prozent steigen wird. Unterstützt von der Politik, als (eine) Antwort auf die Frage, wie die immer noch wachsende Weltbevölkerung künftig mit ausreichend tierischem Eiweiß versorgt werden soll. Kritiker befürchten, dass so die bereits vorhandenen Massentierhaltungssysteme mit Aquakultur einfach nur ergänzt werden. Mit allen bekannten Folgen für Umwelt und Lebensmittelqualität. Doch beim Thema Aquakultur lohnt es sich, genauer hinzuschauen. FIRE&FOOD hat bereits im Jahr 2018 die Fischmaster Zanderzucht im hessischen Trebur besucht. Hier wachsen Zander von der Reproduktion bis zur Schlachtreife auf, die im hofeigenen Laden und angeschlossenen Online-Shop zusammen mit weiteren im Haus erzeugten Zuchtfischen wie Regenbogenforellen und Saiblingen angeboten werden. Für die anschließende Vergrillung samt schmackhaften Rezepten für diese äußerst feinen Fische sorgte Oliver „Olli“ Sievers.
Eine Fischzuchtanlage die es in sich hat. Eric Nürnberger erklärte FIRE&FOOD alle Details.
Ein umfassendes Energiemanagment ist notwendig, um rentabel zu arbeiten.
Gerade in den Sommermonaten sind Fisch und Meeresfrüchte eine feine Sache und bieten eine leckere Alternative für den Grill. Das geht nicht nur uns in der Redaktion so, insgesamt liegt in Deutschland der Pro-Kopf-Verbrauch bei gut 14 Kilogramm im Jahr und die Tendenz ist weiter steigend. Die Schattenseite: Es hapert mit der Eigenversorgung, nicht mal ein Viertel unseres Konsums stammt aus hiesigen Gewässern, den Rest importieren wir – jeweils etwa zur Hälfte aus den weltweiten Wild- oder aus Aquakulturbeständen. In der übrigen Europäischen Union sieht es nur in manchen Ländern besser aus, daher hat sich die Europäische Kommission zum Ziel gesetzt, die Eigenversorgung europaweit im Durchschnitt auf 50 Prozent zu steigern. Das Ganze möglichst auf einer nachhaltigen Grundlage. Die Aquakultur scheint da das Mittel der Wahl zu sein, denn alle Fische, die aus Zuchtanlagen stammen, werden schließlich nicht über Wildfang entnommen, was den Bestand in Meeren, Flüssen und Seen schont. Zudem sind Zuchtfische im Vergleich zu den meisten Nutztieren an Land bessere Futterverwerter und setzen quasi jedes Gramm Futter in eigene Körpermasse um. Das lässt auch die Agrarindustrie nicht kalt, und so erzeugten laut eines Artikels des Magazins „National Geographic Deutschland“ bereits 2012 Aquafarmen erstmals mehr Nahrungsmittel als alle Rindfleischzüchter der Welt. Was die Erwartungen schürt, dass der Anteil der Tiere aus Aquakulturen für unseren Hunger nach Fisch in den nächsten 20 Jahren bis zu 80 Prozent ausmachen wird. Doch um die Ökosysteme wirklich zu entlasten, muss auch die Aquakultur dringend nachhaltiger gestaltet werden. Sonst sind die negativen Begleiterscheinungen durchaus mit der industriell geprägten Landwirtschaft zu vergleichen und die Massenproduktion von Fischen und Meeresfrüchten geht auf Kosten des natürlichen Lebensraums und der Artenvielfalt.
Neue Wege in der Aquakultur
Ein Weg, Fische und Meeresfrüchte nachhaltig zu erzeugen, ist die Aquakultur mittels eines geschlossenen Kreislaufsystems. Hierbei handelt es sich um einen weitgehend geschlossenen Wasserkreislauf, der unabhängig von der Umwelt und – wie bei der hessischen Zanderzucht – ohne Einfluss auf sie betrieben wird. Diese Art von Fischfarming verbraucht nur einen Bruchteil des Frischwassers herkömmlicher Durchflussanlagen, wie sie beispielsweise in der Forellenzucht häufig zum Einsatz kommen. Eine Weiterentwicklung ist das sogenannte die Aquaponik, die für eine Kombination aus Aquakultur und Hydroponik steht, bei dem der der geschlossene Kreislauf um ein spezielles Gewächshaus ergänzt wird, in dem Salate, Kräuter oder Tomaten produziert werden. Dabei dienen die Fische als Nährstoff-Produzenten, während die Pflanzen in erdloser Kultur von den Abfallstoffen der Fischkultur leben. Dieser Ablauf lässt sich auch in Binnengewässern beobachten und ist als „Stickstoffkreislauf“ bekannt. Im Unterschied zur konventionellen Landwirtschaft, die nur einen Ausschnitt aus dem Nährstoffkreislauf nutzt, bildet Aquaponik den kompletten Biokreislauf ab. Verglichen mit der Natur entspricht das einem ganzen Ökosystem. Der Anbau kommt dabei ohne synthetischen Dünger oder Herbizide und die Fische ohne Antibiotika aus.
droht eine Strafe!
Leuchtende Goldforellen im Bassain
Eine Eigenentwicklung, die Laichkissen
Alternativen zu Fischmehl
Die meisten Fischarten fressen alles. Dennoch ist eine zu hundert Prozent fischfreie, vegane Ernährung in der Aquakultur im Moment noch nicht möglich.
Aber die Wissenschaft arbeitet an dieser Aufgabe und so ist die Verwendung von Fischmehl für die Aquakultur seit Jahren rückläufig, trotz höheren Fischabsatzes. Auch Eric Nürnberger, Firmengründer und bis 2019 Inhaber von Fischmaster IP-Services GmbH, stand zu Beginn seiner Zanderzucht vor der Frage, wie er das Thema Fütterung angehen sollte. Schließlich sind Zander Raubfische und ernähren sich in freier Wildbahn ausschließlich von Lebendfutter und erst durch die Umstellung auf Trockenfutter ist die Zucht in Aquakultur überhaupt möglich. Bei Fischmaster in Trebur basiert die Fütterung auf speziellen Pellets mit einem hohen Proteingehalt, wie uns der Zuchtexperte erklärt: „Zander hat generell einen sehr guten Futterquotienten, das bedeutet, er setzt ein Kilogramm Futter in ein Kilogramm Fischmasse um. In unserer Anlage erhält er dazu optimale Bedingungen und erreicht nach 12 bis 14 Monaten sein Schlachtgewicht von einem Kilo. In der Natur dauert dieser Prozess ungefähr drei bis vier Jahre. Da der Zander ca. 40 Prozent Filetanteil besitzt, entstehen so zwei Filets à 200 Gramm - perfekte Speiseportionen. Der Umstellungsprozess auf Trockenfutter findet bei uns bereits im Larvenstadium statt und ist ein sehr aufwendiger Adaptionsprozess. Zunächst werden kleine Salzwasserkrebse gefüttert, die manche vielleicht noch aus den Yps-Heften ihrer Kindheit und Jugend kennen. Anschließend folgt das Trockenfutter.“
Frischer geht's nicht!
Räucherfisch in bester Qualität
Generell liegt die Mortalität in einer Aquakulturhaltung weit unterhalb derer in der Natur. Bei Fischmaster leben die Zander in vier voneinander getrennten Klimazonen, in denen neben verschiedenen Temperaturen durch die Lichtsteuerung Tag- und Nachtzeiten nachgeahmt werden. In der ersten Klimazone befinden sich mehrjährige Männchen und Weibchen. Sobald sie laichen sollen, werden sie in andere Becken umgesetzt. Die Männchen bauen Nester und die Weibchen laichen auf speziell entwickelte Laichmatten ab. Anschließend benetzen die männlichen Tiere die Eier und bewachen die Nester. Die Matten mit den Fischeiern werden in Aquarien umgesiedelt, in denen die kleinen Zander dann schlüpfen. Sobald die Setzlinge wachsen, kommen sie in größere und wärmere Becken. Das Krankheitsrisiko während ihres Lebenszyklus ist für die Zander durch das geschlossene System gering, da keine kranken Fische beziehungsweise Erreger von außen in die Anlage gelangen können. Zudem herrschen strenge Hygieneregeln und es dürfen nur die Mitarbeiter in die Anlage eintreten, die vorher durch eine Hygieneschleuse gelaufen sind. Wenn dennoch mal Verletzungen der Laichtiere auftreten – das kann durch Revierkämpfe in der Laichzeit durchaus vorkommen –, werden die betroffenen Tiere in ein Quarantäne-Becken gesetzt und mit Salz behandelt. Die Reinigung der Anlage wird generell mit Per-Essigsäure vorgenommen, also mit einem Produkt, das auch im Haushalt zu finden ist. Einmal im Jahr wird die Fischzucht vom Fischgesundheitsdienst des Regierungspräsidiums unangekündigt kontrolliert, Fische werden mitgenommen und untersucht.
Aquaponik ist für das Unternehmen durchaus ein Thema und Fischmaster betreibt bereits eine kleine Anlage in Verbindung mit „vertical farming“ in einem Gewächshaus. Hier werden in 28 Tagen 128 Lollo Rosso auf einem Quadratmeter Grundfläche produziert. Unser Fazit nach der Betriebsführung: Aquakultur und Aquaponik sind gerade in Hinblick auf die zukünftige Welternährung ein wichtiger Faktor. Und dass auf diesem Weg Unternehmer, Ingenieure und Wissenschaftler eng zusammenarbeiten und sie dabei der Wunsch verbindet, Lebensmittel möglichst nachhaltig zu erzeugen, ist garantiert kein Fehler.
Olli ist gespannt, welchen Fisch Eric für die Grillrezepte ausgewählt hat.
Die Rezepte von Oliver Sievers für Zanderspiesse mit Green Sofrito und Ananas, Gegrillter Zander mit Chinakohl und Pilzen und Forelle mit Apfel-Fenchel-Mix gibt's in unserer Rezeptdatenbank! Schaut rein!
Und wer noch mehr über heimische Fische erfahren möchte und von leckeren Fischrezepten vom Grill einfach nicht genug bekommen kann, sollte sich die Neuauflage des FIRE&FOOD Fisch-Specials nicht entgehen lassen! Jetzt im Shop als Download verfügbar.