Ferkelkastration: Kleiner Schnitt mit großer Wirkung

Beitrag von Gerhard Pfeffer

In Europa werden seit ca. 8.000 Jahren Schweine gehalten – und seit Jahrhunderten die männlichen Tiere kastriert, indem beide Hoden entfernt werden. Bereits seit 2006 ist das betäubungslose Kastrieren nur noch in den ersten sieben Lebenstagen eines Schweins erlaubt und seit 2008 wurden zumindest alle Ferkel aus Qualitätssiegelprogrammen zusätzlich mit einem Schmerzmittel behandelt. Nun ist die betäubungslose Ferkelkastration seit dem 1. Januar 2021 komplett verboten. Doch was bedeutet diese neue Vorgabe?

Mit Änderung des deutschen Tierschutzgesetzes von 2013 wurde mit Wirkung ab dem 1. Januar 2021 unter anderem die betäubungslose Ferkelkastration in Deutschland endgültig verboten. Dazu muss man wissen, dass wir hierzulande eines der ambitioniertesten Tierschutzgesetze innerhalb der EU haben, welches genau die „wirksame Schmerzausschaltung“ definiert. In anderen EU-Staaten wird hingegen die „Schmerzlinderung“ als ausreichend betrachtet. Das Verbot ist also zunächst eine gute Sache und dient der Verbesserung des Tierschutzes. Schließlich möchte man außerdem keine einseitige, geschlechtliche Bevorzugung weiblicher Tiere, wie es bei Geflügel schon lange der Fall ist. Denn in meinen Augen ist auch das Tierschutz!
Zusammen mit der Wissenschaft, der Politik und den Marktbeteiligten wurde lange Zeit um die richtigen Verfahrensalternativen gerungen. Im Ergebnis haben wir aber nun mit dem neuen, höheren Standard in Deutschland einen Fall von Wettbewerbsverzerrung innerhalb Europas geschaffen. Allein elf Millionen Ferkel importiert Deutschland jährlich aus Holland und Dänemark. Die Vorgaben müssten also der Fairness halber eins zu eins für alle Produzenten gelten, die hierzulande ihre Tiere vermarkten wollen. Jeder Verbraucher versteht diese Tierschutzvorschrift, aber er kann nicht so einfach erkennen, in welchem EU-Land das Ferkel geboren wurde, dessen Fleisch er gerade konsumiert. Und genau da liegt das Problem! Tierschutz ist in den Augen der Fleischesser, und dazu gehört die Grill- und BBQ-Szene nun einmal, ein nicht zu vernachlässigendes Kapitel. Unabhängig vom Geburtsland des Tieres muss dieser einfach passen – neben Qualität, Geschmack und Geruch.

Kann Schweinefleisch von männlichen Tieren wirklich stinken?
Um es vorwegzunehmen: Ja, es kann! Dabei handelt es sich um den hormonell verursachten Geschlechtsgeruch, der ab dem Eintritt der Geschlechtsreife des männlichen Tieres entsteht.
Keiner wünscht sich ein Erlebnis, bei dem ein schöner Schweinehals, zehn Stunden auf dem Grill langsam gegart, nicht zu „pulled pork“, sondern zum „stinking pork“ wird, weil es atypisch nach Urin, beziehungsweise Schweiß riecht. Die Party fällt damit regelrecht ins Wasser. So mancher mag in diesem Fall vielleicht schon an seinen Kochkünsten gezweifelt haben. Doch die Ursache ist eine andere: der Geschlechtsgeruch!
Erschwerend kommt hinzu, dass dieser Geruch von Personen vollkommen unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert wird. Ebergeruch (Hauptkomponente ist das Hormon Androstenon), der sich hauptsächlich beim Erhitzen bildet, wird nur von ca. 30 % der EU-Bevölkerung überhaupt richtig wahrgenommen. Unterschiede der sensorischen Sensibilitäten wurden nicht nur zwischen Frauen und Männern, sondern auch zwischen den Einwohnern verschiedener Staaten festgestellt. Es kann also durchaus vorkommen, dass dasselbe Fleischstück von einer Person als „genussuntauglich“ und gleichzeitig von einer anderen als „geschmacklich unauffällig“ eingestuft wird. Es gibt Länder, die die Ebermast schon länger betreiben, deren Einwohner sich an eine gewisse Geruchsschwelle gewöhnt haben und bei denen der Akzeptanzlevel somit höher liegt. Nichtsdestotrotz akzeptiert aber kein Verbraucher die wirklichen, zum Teil ekelerregenden Stinker. Sie müssen aussortiert und einer anderen Verwendung zugeführt werden. Um solches Eberfleisch als Lebensmittel verwerten zu können, müssen hohe Kerntemperaturen (120 °C) und starke Gewürz- und Kräutermischungen (Salbei, Rosmarin, Muskat, Oregano etc.) zur Anwendung kommen. Außerdem sollten die Produkte anschließend möglichst kalt verzehrt werden. Das schränkt die Verwendungsmöglichkeiten dann doch deutlich ein!

Welche Verfahren sind zugelassen?
Ursprünglich sollte das Gesetz bereits 2019 wirksam werden, doch Ende 2018 kam es zu einer zweijährigen Fristverlängerung... Du möchtest weiterlesen? Den ganzen Artikel zum Thema "Ferkelkastration" findest Du in der Ausgabe 01/2021 des FIRE&FOOD Magazins. Erhältlich als gedruckte oder digitale Einzelausgabe HIER in unserem Shop.