Tipps für Gastronomen in der Corona-Krise

Gastronomen sind von jeher ein besonderes Völkchen. Sie sind idealistische Kämpfernaturen, die mit Leidenschaft für kleines Geld viel arbeiten. Mit welchem Ziel? Großen Teilen unserer Gesellschaft Momente von Willkommens-atmosphäre und Hospitality zu schaffen.

Im Jahr 2019 erwirtschafteten laut dem dehoga 2.437.000 Beschäftigte 98,6 Mrd. Euro. Dagegen erzielte nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie die Automobilbranche im gleichen Jahr 436 Mrd. Euro mit 832.841 Arbeitnehmern. Angesichts solcher Zahlen liegt es auf der Hand, dass kaum einer in der Covid-gebeutelten Gastro über finanzielle Reserven verfügt. Das offenbart die Branche nun auch als Überlebenskünstler. Covid treibt dabei „nur“ auf die Spitze, was in der Gastronomie ein Dauerzustand ist und abgeschafft gehört: das permanente Ringen um die Existenz. Dafür muss die Branche sich aber neu aufstellen und mit Selbstbewusstsein Kernthemen angehen, die stets präsent waren, sich aber jetzt klar als genickbrechend herauskristallisiert haben.

FIRE&FOOD Food-Scout mit Andrew Fordyce

1st High: Geile Miete statt geile Location
Was die meisten Betriebe Zurzeit killt, sind teilweise horrende Mieten. Eine geile Location kostet. Oft wird hier von vornherein falsch kalkuliert. Für Miete werden zwischen acht bis 14 Prozent budgetiert. Mieten in Zentrallage in Höhe von 10.000 Euro plus sind keine Seltenheit. Die einfache Rechnung: Das macht 10 Prozent bei einem Monatsumsatz von 100.000 Euro aus. Da muss der Laden schon ordentlich brummen, um diesen Umsatz zu erzielen. Bei 14 Prozent erhöht sich die Miete gleich mal um 4.000 Euro, bei acht Prozent sinkt sie um 2.000 Euro. Dazwischen liegen 6.000 Euro. Ziel ist also, ein prozentual komfortables, umsatzorientiertes Mietpreisvolumen, aber auch eine Optimierung der Vertragskonditionen. Das könnten etwa Ausnahmeklauseln sein, die unter definierten Umständen die Kündigungsfrist verkürzen.

2nd High: Mehr Homogenität statt Komplexität
Die Gastrolandschaft ist sehr komplex. Sie reicht von der Jugendherberge über Hotellerie bis ins Rotlichtviertel, vom Quick Service zum Fine Dining, von der Kantine bis zum Airline Catering, nicht gerechnet die Zulieferer, Hersteller, Beratungsfirmen und Fachmedien. Darum reihen sich in Deutschland zahlreiche Verbände. Eine zentrale Interessenvertretung, die etwa mit der der Automobilbranche bzw. der darauf aufsetzenden politischen Lobby vergleichbar wäre, gibt es nicht. Die könnte aber hinter Themen wie die unterschiedliche Besteuerung zwischen sieben und 19% Prozent endlich einen Schlusspunkt setzen. Vereinheitlichung funktioniert, wie man an der derzeit durchgängigen Besteuerung von 7% Prozent sieht. Es ist der erste Schritt für branchenübergreifende Maßnahmen in der Zukunft.

 

3rd High: Neue Verkaufsmöglichkeiten
Covid hat neue Akzente bei den Verkaufswegen gesetzt. Insgesamt erscheinen sie selbstbestimmter, weil sie sich nach Effizienz und nicht nach dem vermeintlichen Wunsch des Gastes orientieren. Speisekarten sind reduzierter, und nicht jedes Gericht steht zwangläufig zum sofortigen Pick Up bereit, sondern muss vorbestellt werden. Das funktioniert sogar bei einer Hähnchenbraterei. Wer sich sein Smoked Chicken am Stand auf dem Wochenendmarkt abholen möchte, muss im Laufe der Woche ordern. Ansonsten gibt es ein festgelegtes Kontingent, das nach dem Motto „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ verkauft wird. So können Warenmengen auf den Punkt kalkuliert werden.
Die Verluste durch Krisen wie Covid können nicht wieder eingefahren werden. Ein Platz lässt sich nun mal nicht doppelt verkaufen. Die Lehre daraus ist Risikostreuung durch ein größeres Dienstleistungsportfolio. Anders: Ein zweites Standbein muss her wie ein zusätzliches Delivery, Pick Up-Angebot oder Produkte, die über einen Online Shop laufen. Wer früher sein Restaurant durch eine Website bekannt machen wollte, sollte dementsprechend jetzt lieber in eine APP investieren, um diese Dienste von der Bekanntmachung und Bestellung bis zur Bezahlung abzuwickeln.

 

4th High: Mitarbeiterpflege
Viele Gastronomen versuchen verzweifelt ihre Mitarbeiter zu halten. Die berechtigte Sorge ist, dass Personal in serviceorientierte Branchen wie den Einzelhandel abwandert, die stabilere Arbeitsverhältnisse versprechen. Wie vordringlich Mitarbeiterbindung ist, zeigt die Aktion von Burger King in den UK, die ihre Kunden aufrief, bei McDonald’s zu bestellen. Dem lag die Absicht zugrunde, Arbeitsplätze in der Branche durch den Abverkauf zu sichern. Offensichtlicher zeigt sich das in der Personalpartnerschaft von McDonald’s mit Aldi, wo Mitarbeiter aus Restaurants mit eingeschränkten Betrieb Aldi-Filialen zur Verfügung gestellt werden. Covid bedingte Maßnahmen steuern bereits in Richtung Imagewechsel der Gastro-Branche vom unsicheren zu einem verlässlichen, wertschätzenden Arbeitgebersektor. Das muss aber unterminiert werden. Höhere Löhne durch höhere Preise und/oder die Einführung einer Servicepauschale würden richtige Signale setzen.

 

5th High: Wert als gesellschaftlicher Eckpfeiler
Covid hat in vielen Gastronomiebereichen die Kundenstruktur und damit auch das Kundenverhalten verändert. Die Anonymität durch Tourismus-Kunden hat sich in eine gewisse Intimität mit Kunden vor Ort gewandelt. Der Tourismus ist eingeschränkt oder fiel ganz aus, dafür wurde mehr von zu Hause gearbeitet, was das Augenmerk auf die ortsgebundene Kundenakquisition verschoben hat. Umgekehrt zeigen Kunden Verbundenheit durch die Erkenntnis, wieviel an sozialem Erleben durch den eingeschänkten Gastrobetrieb verloren gegangen ist und wie negativ sich das Stadtbild verändert, wenn Restaurants schließen. Das lässt Menschen zusammenrücken und erklärt die Akzeptanz neuartiger Offerten wie dem vollen Restaurantfeeling durch das Außer-Haus-Angebot kompletter Menüs, begleitende Getränke inklusive. Kunden fragen offensiv, wie sie unterstützen können, etwa durch den Kauf von Gutscheinen. Preisintensivere Produkte wie auch Preiserhöhungen erfahren dabei hohe Akzeptanz. Auf dem, was jetzt passiert, lässt sich in Zukunft aufbauen, nämlich der Selbstwert im Food Service Sektor. Heute sind wir Kämpfer ums Überleben. Aber daraus sollte die ganze Branche lernen, von Dienern zu Verdienern zu werden.