BEEF STECKBRIEF: Irish Hereford Prime

Oft werde ich gefragt, welches denn mein „Lieblingssteak“ sei, und ich antworte immer: „Ich habe keines“. Das ist eben sehr situationsabhängig, aber wenn ich mich für eines entscheiden müsste bis zum Ende des Lebens, dann wäre es ein Irish Hereford Prime dry aged Ribeye. Bei unseren Tastings gibt es zwei Steaks, die immer ganz vorne mit dabei sind. Und IHP ist eines dieser beiden Benchmark Steaks. – Von David Pietralla

Es gibt viele Rinder in Irland. Das liegt daran, dass die Iren viel Land haben, das klimatisch bedingt nicht besonders ertragreich ist. Gras wächst dort jedoch gut und der Gedanke, dieses in leckeres Steakfleisch umzuwandeln, ist tief verankert. Wenn man einen Iren fragt, warum sie ihre Tiere nicht so mästen wie die Amerikaner das machen, dann erntet man skeptische Blicke und die Antwort kommt kurz und prompt: „Whiskey“. Ursprünglich kommen ja die wirklich guten Fleischrassen von den grünen Inseln, heutzutage haben die Landwirte jedoch durchaus bunt gemischte Bestände. Der Schlüssel zum Erfolg von Irish Hereford Prime liegt wie so oft in der Selektion, aber auch maßgeblich an der Verarbeitung nach dem Schlachten. Doch beginnen wir mit der Rasse. Als Zwischeninfo: Irish Hereford Prime ist ein Markenname. Das Prime steht hier nicht wie in den USA für eine unabhängige Qualitätseinstufung, sondern ist Teil der Marke.

Hereford Rinder sind zusammen mit Angus die dominierende Fleischrasse weltweit. Sie sind robust und liefern sehr gutes Fleisch. Feine Fasern mit der Neigung zur Fetteinlagerung bilden die Basis der Marke Irish Hereford Prime. Es gibt in Irland natürlich nicht nur Fleischrinder, hier haben wir den ersten Selektions-Schritt. Die Tiere werden unter 24 Monaten geschlachtet, und es handelt sich um Ochsen und Färsen. Die Tiere fressen primär Gras und Grassilage, was einen kräftigen Fleischgeschmack hervorbringt. Wenn Marmorierung vorhanden ist, ist sie im Regelfall nur leicht ausgeprägt. Sehr feine, dünne Fettadern sind charakteristisch für IHP. Die Farbe des Fettes ist leicht gelblich, nicht so wie bei einer alten Kuh aber deutlich gelber als etwa das Mastfett von US Beef. Auch die Fleischfarbe ist eher ein dunkles kräftiges Rot.

Die hohen Standards beim Schlachten und die von Natur aus eher kurzen Transportwege (kleine Insel) sind obligatorisch. Der eigentliche Unterschied zu „normalem“ irischem Fleisch besteht allerdings in dem, was nach dem Schlachten passiert. Hier haben die Iren einen Prozess entwickelt, der einen deutlichen Unterschied macht. Es beginnt mit dem Abkühlen nach dem Schlachten. Um so genanntes „Cold Shortening“ der Fasern zu vermeiden findet dieser Prozess in mehreren Stufen statt. Nicht wie in Deutschland vorgeschrieben innerhalb von 24 Stunden auf drei Grad Celsius, sondern deutlich langsamer. Dadurch wird ein Kontrahieren der Muskeln vermieden, das Fleisch bleibt zarter. Eine Stimulanz mit Elektroschocks sorgt für zusätzliche Lockerung der Muskelpartien direkt nach dem Schlachten. Die Rinder werden auch nicht klassisch an der Ferse aufgehängt, sondern es kommt ein sogenanntes Hyper-Stretch-Verfahren zur Anwendung, bei dem das Tier am Schlossknochen aufgehängt wird, sodass der Rücken in natürlicher Form gestreckt wird. Bei der dry aged-Linie bleibt das Fleisch für 28 Tage am Knochen und wird anschließend vakuumverpackt. Der finale Schritt ist eine Behandlung mit Ultraschall, hierbei werden die Kollagenstrukturen aufgebrochen und es wird nochmals deutlich zarter. Zusammenfassend kann man sagen, dass hier die Reifung mit Hilfe von physikalischen Methoden perfektioniert wurde. Ja, auch das ist sehr technisch, aber im Gegensatz zum US Prime Beef wollen die Iren keine chemischen Zusätze und belassen die Lebzeiten des Rindes möglichst natürlich.
 
Zur gustatorischen Beschreibung beginnen wir wie immer mit der Zartheit. Wir haben eine sehr feine Faser ohne viel intramuskulärem Fett die dennoch als extrem zart wahrgenommen wird. Die intermuskulären Fetteinlagerungen sind auch sehr zart, nicht knubbelig und schmelzen im Mund. Natürlich zersetzt sich auch im Fett das vorhandene Collagen bei der Behandlung mit Ultraschall.

Das schmelzende Fett verleiht beim Grillen dem T-Bone eine einmalige Sukkulenz.

Die Saftigkeit hängt hier stärker als bei marmoriertem Fleisch vom Garpunkt ab. Es sollte bei maximal 55 °C gegessen werden, lieber aber bei 50 °C bis 52 °C, um mal einen Sweetspot zu benennen. Natürlich wirkt stark marmoriertes Fleisch ggf. noch saftiger, aber für das Fettlevel hat IHP eine sehr gute Wasserbindefähigkeit. Man sollte es halt nicht medium well/well done braten, denn dann geht viel von der Qualität verloren.
Der Geschmack ist neben der Zartheit die Paradedisziplin. Er ist vollmundig, kräftig und dennoch nicht unangenehm animalisch. Die primäre Grasfütterung resultiert in einem fleischigen, mineralischem und klarem Fleischgeschmack. Die relativ kurze dry aging-Phase führt noch nicht zu sogenannten Funky Flavours, allerdings gibt es doch eine konstante Aromatik die ich auf die Ultraschallbehandlung zurückführe. Die zusätzliche Fragmentation des Collagens könnte auch einen zusätzlichen kräftigeren Geschmack mit sich bringen.

Ich schreibe hier explizit über das trockengereifte Rib-eye, viele der angewandten Verfahren gelten für alle Teilstücke. Allerdings sind die Auswirkungen nicht immer zu 100 Prozent die gleichen und es ist und bleibt ein Naturprodukt. Aber ich kenne mit Ausnahme vom US Beef kaum etwas mit einer ähnlich hohen Konstanz bei der Qualität. Als kleiner Preis/Leistungs-Tipp für Fans von magerem Fleisch sei die Hüfte genannt. Gerade das Hüftfilet, also der kleinere der beiden Muskeln, ist extrem zart und hat einen sehr intensiven Fleischgeschmack.

Zartheit: 8.5/10
Saftigkeit: 8.5/10
Geschmack: 7/10