Burger for a better world and big business

Erleben Sie bestimmt auch immer öfter: Neben dem Grill-Klassiker, so ´nem „richtigen“ Hamburger aus Rind, bruzzelt doch tatsächlich eine fleischlose Variante. Spätestens seit dem Run auf Lidl, wo viele Konsumenten – zumeist vergeblich – den veganen Beyond Meat Burger ergattern wollten, ist klar: Deutschland ist offen für Plant Based, also pflanzenbasierte und vegane Patties. Wie kommt’s? Menschen müssen essen. Das wollen sie gut. Aber lecker reicht nicht mehr. Gesund muss es sein. Werte zählen, wie Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz. Das bringt die bewusste Ernährung und damit automatisch die Suche nach alternativen Proteinen auf den Tisch. Es muss ja nicht gleich der vegane Lebensstil sein. Aber heute wollen selbst eingefleischte Liebhaber des Burgerklassikers die Möglichkeit haben, Neues zu probieren. Das heißt, die Offenheit der Konsumenten ist da und damit der Markt. Aber wer hat ihn eigentlich gemacht? FIRE&FOOD Food-Scout mit Andrew Fordyce.

Vegane Welle
Die Bewusstseinsentwicklung in Richtung einer nachhaltigen Ernährungsweise hat eine lange Geschichte, die ihren Anfang vermutlich mit der Gründung der Vegan Society von Donald Watson in 1944 in England fand. Was der Sache neben der politischen Diskussion enormen Schwung verlieh, war die Streetfood Revolution zu Beginn des neue Jahrtausends ausgehend von Großbitannien. Sie war Impulsgeber für individuelle, gesundheitsorientierte Rezepturen, die auf nachhaltig gewonnene, in der Regel regionale Produkten basieren. Damit war UK so eine Art Vorreiter für Vegan, eine Stellung, die es bis heute hält: 16 Prozent aller neuen Food Produkte sind vegan. Das ist die höchste Prozentzahl weltweit. Die Streetfoodwelle schwappte kontinental und interkontinental über und kickte letztlich nicht allein die Innovation in der Zubereitung und nachweislicher Herkunft von Produkten, sondern auch ihrer Beschaffenheit an. Soll heißen: Die Lebensmittelgewinnung bewegte sich, vor allem in den USA, vom Farmland in die Forschungslabore. Das hat der Entwicklung einen Kick in eine neue Richtung verliehen. Denn seither ist „Vegan“ kein Buh-Wort, sondern ein Business-Begriff: Veganomics.

Pat Brown sah die industrielle Tierlandwirtschaft als größtes Umweltproblem und fand als einer der Ersten seine Mission darin, Fleisch- und Milchprodukte aus Pflanzen herzustellen.

Pat Brown wurde bereits als Anwärter auf den Nobelpreis für Chemie gehandelt. Nur, um die Message abzurunden.

Werte mit mehr Wert: Die neuen Burger-Könige
Per 2030 will eine Milliarde mehr Menschen ernährt sein und das vor dem Hintergrund, dass bereits heute der Fleischbedarf für die bestehende Weltbevölkerung nicht gedeckt werden kann und Umweltschäden als irreparabel gelten. Vorzeichen einer ökologischen Katastrophe, die irrigerweise ökonomische Karrieren hervorbringen wie das Beispiel von Impossible Foods zeigt. Gründer Pat Brown, seines Zeichens Stanford Biochemie-Professor, sah die industrielle Tierlandwirtschaft als größtes Umweltproblem und fand als einer der Ersten seine Mission darin, Fleisch- und Milchprodukte aus Pflanzen herzustellen. Er rückte die Nahrungsmittelproduktion nicht allein mit der Standortwahl seines Unternehmens ins amerikanische Technologiezentrum Silicon Valley. Hier fand er auch etliche seiner Investoren wie Google Ventures und Bill Gates. Sie erkannten nicht allein die Relevanz der Problematik, sondern die verkaufskräftige Botschaft hinter der Mission. Das ist mal visionär, hält man sich vor Augen, dass die Amerikaner rund 50 Milliarden Fleisch-Burger verspeisen und nun zu einem pflanzenbasierten bekehrt werden sollen.
Doch die Rechnung der Investoren ging auf. Die Allianz von zündender Idee, Ressourcenkapital für weitere Forschung, Marketing und Produktion sowie namhaften Investoren und Kontakten, die auf verschiedensten Ebenen wirtschaftlich wie politisch auf „Du und Du“ sind, war sicher Schlüsselfaktor für das erfolgreiche Startup. So ist auch die Shootingstar-Karriere des 2016 in den USA lancierten Plant Based Impossible Burger zu erklären. Nachdem Fleischersatz von Impossible Foods von der Burgerkette White Castle bereits all over America angeboten wird, kam er nur knapp drei Jahre später mit dem Einzug in den Burger-Adelsstand unter die Leute: als Impossible Whopper bei Burger King mit fürwahr königlicher Breitenwirkung für eine bessere Welt dank Plant Based Food.

Appetit auf Wachstum
Mittlerweile hat der Hype um die alternativen Proteine eine neue Ebene erreicht. Das sieht man am Beyond Burger, der in mehrfacher Hinsicht ordentlich Appetit machte. Nicht nur, weil’s schmeckt und man ohne schlechtes Gewissen genießen kann. Es kann sich auch anderweitig rentieren, sich bewusst zu ernähren. Das führte dazu, dass jetzt quasi jedermann investieren will. Anfang Mai 2019 ging Beyond Meat in den USA an die Börse und mit dem Kurs durch die Decke. Die Einstiegsaktie wurde mit 25 US Dollar gehandelt, – am Ende des Tages gab es einen Aufschlag von 150 Prozent und die Aktie lag bei 65 Dollar. Die Kursralley steigerte sich bis 186,43 Dollar bis zu einer Neubewertung durch JP Morgan, die einen Kurssturz auf ca. 130 Dollar bewirkte. Sicher: Der weitere Verlauf muss sorgfältig - wie jede Aktie - verfolgt werden. Wie schon bei Impossible Burger hat Beyond Meat ein starkes Backup. Wieder findet man Bill Gates, aber auch Leonardo Di Caprio und die beiden Twitter-Gründer Evan Williams und Biz Stone. Interessant ist, dass unter den Geldgebern sogar die fleischverarbeitende Industrie mit Tyson Food vertreten ist – neben der Tierschutzorganisation Human Society of the United States. Nach zweimaligem Hinsehen entdeckt man sogar Amazon, unter dessen Dach der eigentliche Investor Whole Foods, Lebensmittelhandel, steht.

Grill den Burger: David gegen Goliath
Kommen wir noch einmal zu dem Thema Impulsgeber. Wer sind die Trendmacher? Foodkonzerne, Gastronomie, Großhandel oder Retail? Wohl kaum! Am Anfang der Nachhaltigkeits-Revolution in unserem Foodsystem stehen die ideell gesteuerten Foodies unter den Daniel Düsentrieben, die als kleine Startups alles daran setzen, einwandfreie, ressourcenorientierte Innovationsprodukte zu realisieren und auf dem Markt zu platzieren. Die Hürden, die sie nehmen müssen, sind Kopierbarkeit, Wettbewerbspositionierung bzw. Time-To-Market, Marktmacht von anderen Foodplayern wie dem Großhandel, Regularien, Qualitäts-, Ressourcen- bzw. Produktsicherung und, und, und.

Meistens scheitern sie an diesen Hürden, weil das Kapital und Know How fehlen. Auf dieser Basis entsteht ein TV-Format wie „Die Höhle der Löwen“. Der Foodie hier ist Frank Thelen, der um diese Probleme weiß und die Food-Family gegründet hat, in der zwar jedes Unternehmen selbständig agiert, wo man sich aber – wie in einer Familie - hilft, vor allem durch Austausch. Deutschland hält sich - anders als in den UK oder den USA - vergleichsweise bedeckt mit seiner Investitionsfreudigkeit in den Foodsektor und lässt die Chancen, die insbesondere Veganomics bieten, weitgehend außer Acht. Vor allem die Banken verschlafen buchstäblich aussichtsreiches Big Business made by plant based Burgern oder anderen innovativen Nahrungsmitteln, die uns allen eine bessere Welt bescheren könnten.

Food-Giganten
Ein ganz anderes Konstrukt gibt es bei Mc Donald’s, der sich einem weiteren Food-Konzern anvertraut hat, um seinen Big Vegan TS zu produzieren. Der Burger kommt von Garden Gourmet, eine Tochterfirma des Schweizer Nahrungsmittel-Multis Nestlé. Sicher folgt Nestlé mit Garden Gourmet einer Innovations- und Reduktionsstrategie, die heutzutage in so manchen Köpfen präsent ist und in Bezug auf Mc Donald’s darauf abzielt, Alternativen zu Fleisch auszuprobieren. Sind Food-Konzerne involviert, wirft das immer die Frage nach Transparenz auf, insbesondere wenn es darum geht, woher Rohmaterialien kommen und zu welchen Preisen bezogen werden bzw. welche Auswirkungen das auf lokale und regionale Märkte hat. Ungeachtet dessen, attestiert die Tierschutzorganisation PETA dem Big Vegan TS auf ihrer Website einen authentischen McDonald's-Geschmack, durch ein Patty, das eben nicht aus Quinoa oder Gemüse sei, sondern eines, das an Fleisch erinnere und folgt damit seiner Strategie, vegane Optionen bei unveganen Firmen zu bewerben. Letztlich geht es um den Schritt in die richtige Richtung, das bedeutet, die Wahl für ein pflanzliches Produkt zu haben und in diesem Fall insbesondere Tierwohl zu unterstützen. In diesem Fall zählt der Output durch Öffentlichkeit.

Beyond Meat setzt den Billig-Fleischmarkt unter Druck und jeder zukünftige Fleischskandal wird diesen Effekt noch verstärken.

FIRE&FOOD-Meinung:
Beyond Meat – kaum ein Thema hat in der letzten Zeit eine so heiße Debatte in unserer Redaktion ausgelöst, wie dieses. Unbestritten ist, dass das Thema eine Aufmerksamkeit und damit eine Wichtigkeit erlangt hat, die weit über das vegane und vegetarische Klientel hinausgeht. Und genau in diesem Punkt finden wir auch wieder zusammen. Denn unabhängig davon, wie man persönlich diesen Hype bewertet und ob Erbsenprotein wirklich das Zeug hat, die Welt auf gesunde Weise zu ernähren: Beyond Meat setzt den Billig-Fleischmarkt unter Druck und jeder zukünftige Fleischskandal wird diesen Effekt noch verstärken. Was sich auch daran erkennen lässt, dass die Nahrungsmittel- und Fleischindustrie bereitwillig und mit eigenen Ideen auf diesen Zug aufsteigt. Sie agiert ganz anders als unsere Automobilindustrie und will anscheinend vorbereitet sein, wenn der fleischlose Trend im Massensegment zunimmt und der Verbraucher immer öfter die Wahl hat, sich für Fleisch aus fraglicher Herkunft oder für pflanzliche Proteinquellen zu entscheiden. Da geht es ganz klar um Marktmacht und -positionen. Im Gegenzug wird die Qualität von Fleisch gesteigert werden müssen, um den Verbraucher auch zukünftig zu überzeugen. Angefangen bei der Tieraufzucht über die Haltung bis zur Schlachtung. Kontrolliert und belegt durch unabhängige Qualitätssiegel wie etwa das FIRE&FOOD-Fleischscout-Siegel. Ein Prozess, bei dem Verbraucher, Landwirte, Metzger – und natürlich die Tiere – gleichermaßen gewinnen können.