Gutes Beef macht glücklich!

Der italienische Fleischvirtuose und Kultmetzger Dario Cecchini (www.dariocecchini.com) hat es mit seiner Antica Macelleria Cecchini in Panzano in der Toskana zu internationalem Ruhm gebracht. In seiner Metzgerei und in den Restaurants dreht sich alles ums Fleisch – und um eine mitreißende Portion guter italienischer Gastlichkeit.  

Blick von Ponzano ins toskanische Hinterland

Die italienische Küche steht im Ruf, immer dann am besten zu sein, wenn sie am einfachsten und am ehrlichtesten ist. Abseits von Pizza und Pasta haben die Familien in jeder Region ihre eigenen Spezialitäten hervorgebracht, das Wissen darüber von Generation zu Generation weitergegeben und damit der traditionellen italienischen Küche etwas durch und durch Individuelles und Lebendiges verliehen. Eine Authentizität, die eher fern der großen touristischen Hot Spots überleben konnte, wie etwa mitten in der Toskana. FIRE&FOOD ist zu Gast in Panzano, einem hübschen Ort, der auf dem Weg zwischen Siena und Florenz liegt und idyllisch auf einem kleinen Hügel in Chianti thront. Umgeben von Weinbergen, Olivenhainen und Wäldern siedelten hier bereits die Etrusker, die vor etwa 2300 Jahren im ebenfalls zur Toskana gehörenden Tal des Chiana-Flusses mit der Zucht der berühmten Chianina-Rinder begannen. Panzano besaß seit dem frühen Mittelalter eine wichtige strategische Bedeutung in den militärischen Auseinandersetzungen zwischen Florenz und Siena und wurde zur Festung ausgebaut. Obwohl diese mehrfach eingenommen und dabei teilweise zerstört wurde, zeugen heute noch die Burg „Castello di Panzano“ mit ihrem Hauptturm und Teile der Ringmauer von dieser Zeit.
Nicht ganz so weit zurück geht die Geschichte der „Antica Macelleria Cecchini“ in Panzano. Doch diese Metzgerei hat es in gut 250 Jahren über acht Generationen geschafft, vom Vater auf den Sohn überzugehen. Heute ist Dario Cecchini der Chef, der eigentlich nicht für immer in die Fußstapfen seiner Vorfahren treten wollte. Doch es kommt im Leben nicht immer so, wie man sich das eigentlich mal ausgemalt hat. Dreh- und Angelpunkt in Darios Kinder- und Jugendzeit war zwar stets die familiengeführte Metzgerei, in der alle mit anpackten: Die Mutter an der Kasse, der Vater beim Fleischzerteilen und -verarbeiten und die Großmutter tagaus, tagein in der Metzgerküche, in der sie die täglichen Mahlzeiten der Familie zubereitete. Sie schaffte es, aus einfachen Zutaten und jedem Fitzel vom Tier noch etwas Nahrhaftes und Schmackhaftes herzustellen und prägte damit Darios Geschmack nachhaltig.

Trotzdem hatte Dario seinen beruflichen Platz nicht in dieser Metzgerei gesehen. Lieber fuhr er zusammen mit dem Vater zu den Bauern, um die Tiere für die spätere Verarbeitung auszusuchen. Das schärfte nicht nur seinen Blick für die Stärken und Schwächen der jeweiligen Tiere, es weckte in ihm vor allem seine Tierliebe und den Wunsch, Tierarzt zu werden. So besuchte er die Veterinärschule in Pisa und anschließend die Landwirtschaftsschule in Florenz. Doch bald darauf erkrankte nach dem frühen Tod der Mutter auch der Vater schwer. Ein tiefer Einschnitt für die ganze Familie, gerade auch in finanzieller Hinsicht. Dario war auf einmal verantwortlich für das Einkommen der Familie. Anstatt Tiere zu heilen, würde er sie nun töten. „Der Druck, der durch diese Aufgabe auf mir lastete, war einfach zu groß und der Start mehr als holperig. Ich scheiterte und schämte mich, dass ich nicht fähig war, der Familientradition gerecht zu werden. Die Rettung für die Metzgerei und damit für mich habe ich Orlando, dem ehemaligen Assistenten meines Vaters zu verdanken. Er wurde so etwas wie mein Lehrmeister und sensibilisierte mich dafür, dass ich meiner Tierliebe im Metzgerhandwerk gerecht werden kann: Indem ich jedem Tier, das durch meine Hand stirbt, größtmöglichen Respekt entgegenbringe! Dieser Respekt fängt nicht erst beim Töten und anschließenden Verarbeiten an, sondern schon bei der Geburt des Tieres und bei den Bedingungen, unter denen es aufwachsen darf. Mit jeder Auswahl eines Tieres für die Antica Macelleria Cecchini übernehme ich auch für diese Faktoren Verantwortung.“, erläutert Dario Cecchini in unserem Gespräch.

Der „Altar“ im Fleisch-Reiferaum.

In der Nähe des Dorfes hält Dario eine Chianina-Herde.

Wenn Fleischgenuss zum Kult wird

Ein Tier von der Schnauze bis zum Schwanz zu verarbeiten, ist so für den Metzger seit über 45 Jahren eine Selbstverständlichkeit. Er versucht jeden Tag aufs Neue, den besten Schnitt und die beste Zubereitungsart für jedes Stück Fleisch zu finden und ist mit schon fast missionarischem Eifer unterwegs, um andere von dieser Sichtweise auf das Metzgerhandwerk zu überzeugen. Schon seine Vorfahren verarbeiteten das ganze Tier und seine Großmutter übernahm dieses Prinzip beim täglichen Kochen, da alle edleren Fleischteile für die Kunden sowie für die diversen Fleisch- und Wurstkreationen bestimmt waren. Die Küche der Großmutter war einfach, aber äußerst kreativ und ist in Darios Restaurant „Solociccia“ heute noch erlebbar.
Als vor gut 20 Jahren die Bilder von torkelnden und stürzenden Rindern durch die Medien gingen, kam der weltweite Appetit auf Rindfleisch zum Erliegen – und etwa 1,5 Millionen Rinder wurden EU-weit geschlachtet und entsorgt. Die BSE-Krise erreichte auch Italien und somit Panzano, wo Dario mit einem großen Spektakel das berühmte „Bistecca Fiorentina“ zu Grabe trug, da das T-Bone-Steak zum gesundheitlichen Risiko mutierte. Auch diese Bilder gingen durch die Welt, und als die letzten Steaks für einen guten Zweck buchstäblich unter den Hammer kamen, nahmen zahlreiche Gourmets aus Italien und aus dem Ausland, unter anderem Elton John, an der Versteigerung teil – und machten Dario Cecchinis Metzgerskunst schlagartig berühmt.
Dario Cecchini ist einfach ein Mensch, der die Gabe hat, andere mit viel Elan und purer Lebensfreude mitzureißen. Und wer auf einer Toskana-Reise die Gelegenheit hat, in Panzano Station zu machen, sollte es unbedingt tun. Mit etwas Glück trifft man den agilen Metzger in seiner „Antica Macelleria Cecchini“ an, es ist für Fleischfans ein Ort der Offenbarung. Neben dem Bistecca Fiorentina, auch stilecht vom Chianina-Rind, warten weitere köstliche Steakzuschnitte darauf, auserwählt und in der Pfanne oder auf dem Grill zu Hause zubereitet zu werden.
Auch typisch regionale Spezialitäten wie beispielsweise „Burro del Chianti“ – die Chianti-Butter, die statt aus herkömmlicher Butter aus Schmalz mit Kräutern hergestellt wird – oder „Tonno del Chianti“ – eine Art eingelegtes Spanferkel das geschmacklich an Thunfisch erinnert – sind es wert, entdeckt zu werden.

Wer nicht selbst zur Grillzange greifen will und so klug war, schon im Vorfeld des Urlaubs einen der begehrten Plätze in Darios Restaurants zu reservieren, darf sich auf ein äußerst fleischbetontes Essvergnügen freuen. Neben den traditionellen Gerichten aus der Metzgerküche seiner Kindheit im „Solociccia“ stehen in der „Officina della Bistecca“ alle Variationen von Steaks im Vordergrund, zubereitet auf dem Holzkohlegrill und nur mit etwas hausgemachtem Kräutersalz und Olivenöl gewürzt. „Ich war 18 Jahre alt, als mein Vater mir feierlich mein erstes echtes Steak kredenzte. Ich hatte mich schon lange auf diesen Moment gefreut und war nach dem ersten Bissen jedoch sichtlich enttäuscht. Es hat geschmeckt, ja, aber das Steak war nicht mit dem vergleichbar, was meine Großmutter an aromatischer Vielfalt täglich auf den Tisch gebracht hat“, erläutert Dario weiter. Doch mit den Jahren reifte sein Geschmack und wuchs seine Urteilskraft, was sich an der zelebrierten Steakkultur der „Officina della Bistecca“ ablesen lässt. Hier werden die verschiedenen Fleischgänge mit einem Bistecca alla Fiorentina gekrönt – allerdings wird bei diesen feucht-fröhlichen Gelagen (der Ausschank vom Hauswein gehört ebenfalls dazu) nicht das Fleisch vom Chianina-Rind verwendet.

Der „Altar“ im Fleisch-Reiferaum

Dario bevorzugt für seine Fleischgerichte die Rinder von spanischen Züchtern, mit denen er schon seit Jahrzehnten zusammenarbeitet. „Die Rinderrasse ist für mich nicht so wichtig. Es geht mir eher darum, was das Rind zu fressen bekommen hat und wie es aufwachsen durfte“, erklärt der toskanische Metzger. „Das Bistecca muss eine schöne Fettschicht haben und darf gerne bis zu sechs Zentimeter dick sein. Ich grille es auf traditionelle Art, von jeder Seite für acht Minuten über direkter Hitze. So ist es außen knusprig und von innen roh, so entfaltet es seine ganze Geschmacksvielfalt“, ist Dario überzeugt. Seine vier Restaurants gehören zur Event- oder Erlebnis-gastronomie im besten Sinne. Dario und sein Team wollen den Spaß und Genuss am Essen vermitteln – und nicht zu vergessen auch die Wertschätzung des ganzen Tieres. Ob das immer so gelingt? Schwer zu sagen. Wir fühlten uns an dem Abend herzlich aufgenommen und das Konzept, fremde Menschen aus unterschiedlichen Ländern an einer großen Tafel zu versammeln und mit viel Tamtam zu verköstigen, hat uns zumindest sehr angesprochen. Wer gerne Fleisch isst, kein Problem damit hat, zu essen, was auf den Tisch kommt und offen für Improvisationsfreude und überschäumendes Temperament ist, kommt hier sicherlich voll auf seine Kosten. Fine Dining-Ansprüche sind fehl am Platz, und wer in Begleitung von Vegetariern an diesen Ort kommt, dem würden wir eher einen Einkaufsbesuch in Darios Metzgerei empfehlen. Es gibt zwar ein vegetarisches Angebot in den Restaurants, doch das hat irgendwie etwas von einem Stilbruch… Aber ein Besuch bei Dario Cecchini ist auf jeden Fall ein Erlebnis!