Wagyu: Luxus auf vier Beinen

Wagyufleisch – vor allen Dingen, wenn es von Rindern aus der japanischen Präfektur Hyogo stammt und alle Kriterien erfüllt, um sich nach deren Provinzhauptstadt Kobe nennen zu dürfen – ist die teuerste Rindfleisch-sorte der Welt. „Wagyu“ heißt „japanisches Rind“ und gilt als Garant für fein marmoriertes Fleisch, das besonders zart und schmackhaft ist. In Japan wurden Rinder hauptsächlich als Zug- und Arbeitstiere gehalten, erst mit der Meiji-Zeit (1868-1912) begann ein intensiver Kontakt mit anderen Ländern und Kulturen und so veränderten sich die althergebrachten Begebenheiten – auch die kulinarischen. Rindfleisch war nicht mehr aus religiösen Gründen verboten und wurde als Speise modern.

Wer es sich in dieser Zeit leisten konnte und etwas auf sich hielt, aß europäisch. Durch die politische Öffnung des Landes wurden erstmals auch Kreuzungen mit ausländischen Rassen möglich, die auf die einzelnen japanische Regionen bzw. Präfekturen verteilt wurden. Daraus entwickelten sich die drei Wagyu-Hauptblutlinien Kadeka (Präfektur Tottori), Shimane/Fujiyoshi (Präfektur Okayama) und Tajima (Präfektur Tajijri). Landläufig wird das Kobe-Fleisch als die vermeintlich höchste Wagyu-Qualität angesehen – doch das bekommt man außerhalb Japans nur von ausgewählten und lizensierten Food-Händlern und Restaurants und je nach Cut kann man dafür bis zu 600 Euro pro Kilo auf den Tisch legen. Der Begriff „Kobe“ ist – ähnlich wie Champagner oder Parma-Schinken – als japanisches Kulturgut streng geschützt und bezieht sich ausschließlich auf Fleisch der Rinderrasse Tajima-gyu, das in der Präfektur Hyogo erzeugt, aufgezogen und geschlachtet wurde. Es darf aber erst dann zum Kobe-Fleisch deklariert werden, wenn es die Qualitätsmerkmale der Kobe Beef Marketing & Distribution Promotion Association erfüllt. Nicht jedes Tajima-Rind aus der Umgebung von Kobe ist also gleich auch ein Kobe-Rind.

Das Who is Who
Die Japaner schützen ihr heiliges Kulturgut und so ist es bis heute nicht erlaubt, lebende Tiere oder deren Erbgut zu exportieren. Doch wurden zu wissenschaftlichen Zwecken erst in den 1970er, später noch einmal in den 1990er Jahren einige Kobe-Rinder und Gen-Material in die USA und nach Australien exportiert. Daraus entstanden in diesen Ländern sowie in Neuseeland und Kanada die mittlerweile weltweit größten Fullblood-Wagyu-Herden, deren Edelfleisch in der ganzen Welt nachgefragt wird und die den Genpool für die europäische Zucht bilden. 100 Prozent „Fullblood“ bezeichnet absolut reinrassige Tiere, die im Herdbuch eingetragen sind und deren Herkunft über die Ahnentafel (Pedigree) bis nach Japan zurückzuverfolgen ist. Ein Garant dafür, auf dem Markt Höchstpreise erzielen zu können – so kam 2015 bei der ersten Versteigerung auf dem züchterisch noch jungen europäischen Boden im Münsterland eine tragende Kuh auf Anhieb für 27 500 Euro unter den Hammer. Was manchen Fullblood-Züchtern gar nicht gefällt: Auch das Fleisch aus Kreuzungen zwischen einem Fullblood-Wagyu und einer anderen Rasse, z. B. Angus oder Hereford, kommt als Wagyufleisch auf den Markt. Bei dieser F1 Kreuzung spricht man von 50 Prozent Wagyu – in Japan und den USA „Supermarktwagyu“ genannt. Wird diese und jede weitere Kreuzung immer wieder mit 100 Prozent Fullblood gekreuzt, erhält man bei Linie F4 93,75 Prozent Wagyu, das als „Pure Breed“ , also als reinrassig gilt. Doch auch wenn man diese Linie noch weiter kreuzt, mehr als 99,9 Prozent sind nicht zu erreichen. Dazu Klaus Möbius, Vorsitzender des Wagyu Verband Deutschland e. V.: „In Deutschland werden sehr wenige Rinder gekreuzt. Meistens nur für die Direktvermarktung. Auch für eine Kreuzung braucht es sehr viel Know-how für die optimale Lösung.“

In Deutschland begannen 2006 die ersten Züchter mit ihrer Arbeit. Zu ihnen gehören auch Ludwig „Lucki“ Maurer und seine Frau Stephanie. Der bekennende Fleischliebhaber hat die Zucht quasi aus der Not heraus angefangen, um den Bauernhof seines Großvaters übernehmen und aus dem Dornröschenschlaf erwecken zu können. Bestärkt in dieser Idee hatte ihn damals Wolfgang Otto (von Gebr. Otto Gourmet GmbH, Anm. d. Red.), der ihn von den guten Vermarktungschancen des „besten Rindfleisches der Welt“ überzeugte. Inzwischen ist seine Herde auf über 60 Tiere angewachsen. „Wir züchten unsere Wagyus nach EU-Bio-Richtlinien, das heißt ohne Embryonentransfer, dafür mit Natursprung und Mutterkuhhaltung, bei der die Kuh das Kalb von selbst entwöhnt“, erklärt Lucki im Gespräch. Und als starker Verfechter von „Nose to Tail“ ist für ihn eine nachhaltige und respektvolle Verwertung des ganzen Tieres auch bei seinen Wagyus selbstverständlich: „Für die Verarbeitung der Wagyuhaut zu Leder habe ich jetzt eine Gerberei gefunden, aus dem Leder entstehen Gürtel.“ Auch beim Grillen müssen seiner Meinung nach nicht immer die Edelteile des Wagyus auf dem Rost landen. Sein Tipp: „Für C-Cuts lässt sich die Zubereitung nach Sukiyaki-Art (japanische Zubereitungsart für Rindfleisch, die sich während der Meiji-Zeit entwickelt hat, Anm. d. Red.) fantastisch mit dem Grillen auf der Plancha verbinden. Dafür das Fleisch einfach hauchdünn entgegen der Faser aufschneiden und mit etwas Sojasauce und Sesamöl kurz über die heiße Platte ziehen. Ein Traum...“

Eine konventionelle Wagyu-Zucht betreibt Familie Marquardt in Schleswig-Holstein sehr erfolgreich. Auch für sie stellte sich irgendwann die Frage, wie der Hof umstrukturiert werden kann, um auch nachfolgenden Generationen ein Auskommen zu sichern. Beide Züchter – ob Biobauer oder konventioneller Landwirt – sind Mitglieder des Wagyu Verband Deutschland e. V., der anfangs dafür gegründet wurde, Wagyu als Rasse in Deutschland überhaupt herdbuchfähig zu machen. Zudem erarbeitet der Verband das Zuchtziel der Rasse und unterstützt seine Mitglieder im Informations- und Erfahrungsaustausch.

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Dazu gehört auch der Kontakt zu wissenschaftlichen Forschungsinstituten wie dem Leibniz-Institut für Nutztierbiologie in Dummerstorf. Das Institut beschäftigt sich mit der Frage, warum Wagyu-Rinder ihr Fett im Gegensatz zu anderen Fleisch-Rinderrassen so hervorragend intramuskulär speichern können. „Während die heute weit verbreiteten Fleisch-Rinderrassen, von denen in Deutschland rund 50 Rassen gezüchtet werden, seit Jahrzehnten auf fettarmes Muskelfleisch ausgerichtet worden sind, konnte sich das japanische Rind ohne derartige Eingriffe entwickeln. Das Fleisch vom Wagyu bringt es auf 40 Prozent Fettanteil“, erläutert der Dummerstorfer Wissenschaftler Professor Steffen Maak. Das Muskelfleisch der Wagyus ist mit einer feingefaserten Marmorierung durchzogen, was das Bindegewebe auflockert und das Steak vom Wagyu viel saftiger und zarter macht. Auch die intensive Fütterung mit Kraftfutter aus Rüben und Mais- und Sojaschrot in den letzten sechs Monaten ihres mindestens 30 Monate währenden Lebens wirkt sich stark auf die Qualität des Fleisches aus. Nach Aussage des Wissenschaftlers verfügt das Fleisch zudem über einen höheren Anteil an ungesättigten Fettsäuren im Vergleich zu anderen Rinderrassen. Die Dummerstorfer Forscher haben schon vor mehr als zehn Jahren Kontakt zur südjapanischen Kyushu-Universität aufgenommen, um die Unterschiede zwischen Kobe-Rindern und europäischen Rindern zu ergründen. Dabei wurden insbesondere die Wagyu-Rassen Japanese Black und Japanese Brown untersucht und mit dem Holstein-Rind verglichen. „Die Differenzen waren sehr groß und deutlich sichtbar. In den Muskeln der Wagyus sind viel mehr Zellen angelegt, in denen Fett eingelagert werden kann. Ein Vergleich der genetischen Potenziale zeigte, dass die Holstein-Kühe bei gleicher Ernährung und unter identischen Haltungsbedingungen dazu weniger in der Lage sind und das Fett vermehrt unter die Haut und um die inneren Organe packen“, so Maak. Ob dafür genetische Unterschiede die Ursache sind, untersucht das Team von Maak an 2.600 Genen, die für den Fettstoffwechsel relevant sein könnten – bis diese alle entschlüsselt sind, werden sicherlich noch Jahre vergehen. Die Japaner nutzen die Zusammenarbeit mit den deutschen Wissenschaftlern, um Kenntnisse aus der Erzeugung hochqualitativen Fleisches durch die europäische Grünlandfütterung zu erlangen – ein effizienterer Umgang mit den Ressourcen wird auch für die japanische Rinderzucht notwendig.

Züchter gesucht
Auch wenn die Wagyu-Zucht in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt – die bisherigen Erfahrungen sind überwiegend positiv. Doch es braucht noch mehr Landwirte, um die wachsende Nachfrage hierzulande zu decken. Nicht nur die Spitzengastronomie und die Grill- und Eventszene zählen als verlässlicher Abnehmer von Wagyu-Fleisch, sondern auch immer mehr Konsumenten leisten sich mal ein Stück vom Edeltier, das während seiner Aufzucht zwei- bis dreimal soviel Platz beanspruchen und fast doppelt so lange leben durfte wie ein herkömmliches Mastrind. Bei manchen Züchtern erhalten die Wagyus sogar ein ausgefeiltes Wellnessprogramm mit Musik, elektrischen Bürstenmassagen und Freibier samt Fußbodenheizung und wohltemperiertem Trinkwasser. Wohl nach japanischem Vorbild. Für die Massagen hat Christoph Grabowski, Fleischermeister und Fleischsommelier bei Niggemann Food Frischemarkt in Bochum eine historische Erklärung: „Die Tajima-Rinder wurden in Japan ursprünglich als Arbeitstiere gehalten. Es lag also im Interesse des Bauern, diese wertvollen Tiere möglichst lange gesund zu erhalten. Daher wurde das Rind jeden Abend mit Stroh massiert, um es zu säubern und damit vor Parasiten zu schützen.“ Auch Grabowski würde es begrüßen, mehr Wagyu-Fleisch von deutschen bzw. europäischen Züchtern verkaufen zu können – und auch, wenn für dieses Edelfleisch die US-Bewertungskriterien hier offiziell Gültigkeit hätten. Seiner Meinung nach wird die EU-Norm Klassifizierung der Wagyu-Qualität nicht gerecht: „Wenn wir die EU-Norm-Klassifizierung auf uns Menschen übertragen würden, hieße das, dass Bodybuilder die hübschesten Männer sind…“, so der Fleischexperte. Daher geben Fleischer und Züchter zur besseren Orientierung beim Verkauf häufig schon jetzt den Marmorierungsgrad für das Wagyufleisch an – entweder nach dem amerikanischen BMS (Beef Marbling Standard) oder nach der australischen MS (Marble Score).
Wer jetzt selbst auf den Geschmack gekommen ist und ein schönes Stück Wagyufleisch probieren möchte, findet beispielsweise beim deutschen Wagyu Verband eine Übersichtskarte, auf der die einzelnen Mitgliedsbetriebe vermerkt sind. Viele verkaufen das Fleisch als Direktvermarkter ab Hof. Oder man fragt den Metzger seines Vertrauens, ob man über ihn das Fleisch beziehen kann.

Alternativ sind auch Online-Händler eine gute Adresse.
Internetadressen zum Thema Wagyu:

www.wagyuverband.com
www.bio-wagyu.com
www.holstein-wagyu.de
www.wagyu-muensterland.de
www.niggemann-food-frischemarkt.de
www.gourmetfleisch.de
www.otto-gourmet.de
www.albersfoodshop.de
www.fbn-dummerstorf.de


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